Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
entzündeten Kerzen, stellten Schalen mit Früchten oder Gebäck auf den runden, auf Hochglanz polierten Tisch, verteilten Stolen und schenkten Wein ein. Die Nebelfrauen redeten derweil miteinander, durcheinander und aufeinander ein und wollten einfach nicht glauben, dass es noch einen da’Kandar-Prinzen geben könnte.
»Genug jetzt!«, forderte Ayala, sobald die Novizinnen den Raum verlassen hatten.
Sofort schwiegen alle, und die Nebelkönigin fuhr fort: »Caitlins Hinweis ist von größter Bedeutung, denn nur ein Familienmitglied war blond: Prinz Rhonan, der jüngste der königlichen Sippe! Zu wissen, wen man sucht, erleichtert die Suche ungemein. Wir sind durch diesen Fortschritt allerdings gezwungen, unsere Pläne zu ändern. Caitlin darf Latohor nicht mehr erreichen, denn wir können nicht zulassen, dass Darius davon erfährt und ihn vor uns aufspürt.«
Sofort tuschelten die Hohepriesterinnen wieder mit ihren Nachbarn. Der Raum war erfüllt von Geraune. Nur Martha, eine der ältesten Priesterinnen, wandte sich direkt an Ayala: »Du willst sie zurückholen? Überlege gut!«, gab sie zu bedenken. »Wir haben sie geschickt, um Dariusʼ Misstrauen nicht zu erregen. Sollen wir es jetzt schüren? Davor kann ich nur warnen. Du kannst doch Caitlin einfach beauftragen, ihren Traum für sich zu behalten. Damit wäre uns mehr gedient.«
Die Königin, deren rotes Haar im Schein der Kerzen leuchtete, zog eine Braue hoch. »Und du meinst, diese dumme Gans könnte sich das über einen längeren Zeitraum hinweg merken? Wenn ich mich auf jemanden nicht verlassen will, dann ist es Caitlin. Baue auf sie, und du hast verloren.« Hell lachte sie auf. »Ob Darius wohl bemerkt hätte, dass Caitlin ihm nützlicher sein könnte, stünde sie auf Camoras Seite?«
Sie nahm sich eine Traube, verzehrte sie genüsslich und wandte sich wieder Martha zu. »Aber du hast recht. Unser Bemühen, die Königstreuen zu unterstützen, sollten wir nach wie vor demonstrieren. Wir werden Söldner beauftragen müssen.« Ihr Blick huschte zu einer Frau, deren auffälligstes Merkmal eine Hasenscharte war. »Dora, kümmere dich darum. Zahl gut und deute an, dass andere Aufträge folgen könnten. Mach aber gleichzeitig deutlich, dass ein Misserfolg ihren Tod bedeuten würde. Dann werden sie gute Arbeit verrichten. Sie sollen Caitlin aber erst im Grenzgebiet Latohors töten. Ich will, dass Darius sich verantwortlich fühlt. Er schuldet uns dann etwas!«
Nur Priesterin Hylia, die Jüngste des Kreises, warf ihrer Herrin einen fassungslosen Blick zu und zog ihre Stola enger. Keine andere fand es offenbar bemerkenswert, dass die Königin in einem Nebensatz den Tod ihrer Tochter angeordnet hatte. Ayala hatte ihre Kinder schließlich nicht aus Familiensinn bekommen, sondern weil es ihre Aufgabe gewesen war. Wegen einer Laune des Schicksals hatte sie zunächst zwei Söhne geboren. Die unbrauchbaren Bälger hatte sie vor vielen Jahren an Morwena verschenkt.
Die Königin nahm das Gemälde wieder zur Hand und reichte es ihrer Nachbarin. »Wir suchen den blonden Jungen. Ich glaube, begegnet bin ich ihm nie, aber ich weiß noch, dass Königin Nemedala und ich am selben Tag niederkamen. Das werde ich nie vergessen, denn ich hatte auf etwas Besonderes gehofft, war es doch immerhin der Namenstag der Schicksalsgöttin. Doch Haidar war offensichtlich nicht gut gelaunt. Ich bekam wieder kein Mädchen, und Nemedala schien genauso unglücklich über ihren Nachwuchs. Nicht einmal gezeigt hat sie ihn mir bei meinem nächsten Besuch. Dafür musste ich wie immer ihre drei Älteren bewundern, die vorgeführt wurden wie Zuchtbullen oder im Fall dieser ... ich weiß nicht mehr, wie sie hieß, ... wie eine Zuchtstute. Der Jüngste der drei war schon um die sechzehn, und Jungen wie Mädchen waren sie wohlerzogene Nichtsnutze, die wie all die Prinzen und Prinzessinnen zuvor offensichtlich einzig dafür lebten, den Reichtum da’Kandars durch Heirat noch zu vermehren. Nemedala sprach unentwegt von Angeboten irgendwelcher großer Häuser. Der Krieg schien allein Angelegenheit des Großkönigs zu sein, der in ihren Augen unantastbar war. Dass Camora um da’Kandar herum Reich um Reich eroberte, interessierte sie nicht im Geringsten. Die dämliche Kuh schwelgte sogar darin, vornehme Flüchtlinge aus diesen Reichen aufzunehmen ... die sie dafür anbeteten und bald darauf mit ihr zusammen sterben durften. Wenn mir persönlich seit ihrem Tod etwas fehlt, dann sind es lediglich die
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