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Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis

Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis

Titel: Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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was ist mit uns, Darius? Ich wollte so gern eine gute Mutter sein und habe meinen Söhnen statt Gute-Nacht-Geschichten von Schlachten erzählt. Ich wollte für sie sorgen, und stattdessen versorge ich viel zu häufig ihre Wunden. Jeden Tag, den sie nicht bei mir sind, bete ich zu den Göttern, dass sie noch leben; jedes Mal, wenn ich sie in eine Schlacht schicke, stirbt ein Stück von mir, weil ich denke, ich könnte sie in ihren Tod geschickt haben.« Unglücklich schluchzte sie auf, bevor sie fortfuhr: »Wäre es nicht leichter, wir würden Camora als Großkönig anerkennen? Ich will, dass meine Söhne leben, ich will sie nicht beweinen müssen. Und es gibt so viele Mütter und Väter in unseren Reichen. Sie werden doch genauso denken.«
    Er knallte eine Hand auf die Landkarte, so dass sie zusammenfuhr, sah sie jedoch weiterhin an. »Camoras Gebiet! Mittlerweile genauso so groß wie die letzten königstreuen Reiche zusammen! Aber wie sieht es dort aus? Ganze Landstriche sind entvölkert, Städte verödet. Männer werden schon im Kindesalter in die Horde gepresst, und die Frauen, die zusätzlich zu ihren Aufgaben auch noch die Arbeit der Männer übernehmen müssen, sind schon mit zwanzig alt. Camoras Statthalter knechten sie unbarmherzig, lassen sie für ihren dunklen Herrn ausbluten.« Seine Augen wurden feucht, als er weitersprach: »Ich habe sie gesehen, diese dürren Mädchen, die vor einen Pflug gespannt waren, und die Frauen, die sich mit der Sense fast die Beine abschlugen. Es gibt Dörfer, in denen kein arbeitsfähiger Mann mehr wohnt, es gibt kaum noch Kinder und schon lange kein Lachen mehr in Camoras Reich. Soll das unsere Zukunft sein? Unsere Kinder müssten vielleicht nicht mehr kämpfen, aber sie hätten doch auch nichts, wofür es sich lohnen würde zu leben. Wir haben fünfundzwanzig Jahre standgehalten. Seit ...«
    Morwena legte ihre Hand auf seine und unterbrach ihn mit leiser Stimme: »Standgehalten? Seit fünfundzwanzig Jahren verlieren wir Reich um Reich. Es gab einmal den Rat der Zwölf, jetzt gibt es nur noch den Rat der Sieben. Die Fürstentümer, die wir verloren haben, dürften nahe der Zwanzig sein. Ich weiß um das Leid der Ostvölker, aber vermehren wir es nicht durch unseren Widerstand? Nur ein Krieg benötigt Krieger, und die Horde scheint unaufhaltsam wie eine Lawine. Wir bauen seit vielen Jahren Hindernisse auf ihrem Weg ins Tal. Doch letztendlich wird sie dort ankommen und alles verschlingen. Lohnen sich der Tod und das Leid so vieler für eine Verzögerung?«
    Er zog seine Hand unter ihrer hervor, um sie gleich wieder darüberzulegen. Fest waren sein Griff und sein Blick, als er widersprach: »Keine Verzögerung! Wir werden die Lawine schmelzen, bevor sie das Tal erreicht. Camora wird vernichtet werden, denn nach der Prophezeiung werden wir letztendlich den Sieg davontragen. Alle Menschen wären wieder frei. Dafür ist kein Opfer zu groß.«
    Sie wusste, dass er das nicht einfach so dahergesagt hatte. Der letzte Satz der Prophezeiung besagte, dass das Schwert der Alten Könige die Völker einen und ins Licht führen würde, und Darius’ Glaube an die Prophezeiung grenzte mittlerweile an Besessenheit. Sie seufzte und fragte mit wenig Hoffnung und mit noch weniger Glauben in der Stimme: »Ach ja, die Prophezeiung. Konnte dein Seher den Thronfolger da’Kandars endlich finden?«
    Das Gesicht des Fürsten verzog sich, bis es nur noch Genugtuung ausstrahlte. Morwena rutschte auf ihrem Stuhl unwillkürlich ein Stück nach vorn, aber seine Antwort begrub ihre gerade erwachte Hoffnung sofort wieder. »Meister Fergus ist auf dem Weg in die Tempelstadt. Er glaubt, seine Träume bedeuten, dass er den Erben der Kraft in Kairan finden kann.«
    Bisher hatten Meister Fergus’ Träume stets nur Erwartungen geweckt, weitergebracht hatten sie niemanden. Die Königin konnte daher nichts Tröstliches in der neuen Entwicklung sehen. Ihre Zweifel an der Existenz eines lebenden Erben wurden nicht geringer. Den Grund dafür nannte sie auch: »Oh, Darius, wie sollte ein Prinz dieses Gemetzel überlebt haben? Wir hoffen auf einen Geist.«
    Er ergriff nun auch ihre andere Hand und sein Blick wurde liebevoll. »Aber wir haben noch Hoffnung, Liebste! Glaube an den Erben da’Kandars, glaube an den wahren Großkönig! Glaube daran, dass er uns zum Sieg führen wird, oder alles, was wir in fünfundzwanzig Jahren unter großen Opfern geleistet haben, verliert seinen Sinn.«
    Sie glaubte längst nicht mehr

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