Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
erklärte er: »Wir sollten uns vorbereiten.«
Er erhob sich, zog einen Dolch aus dem Gürtel und hielt ihn Caitlin hin. Auf ihren verwirrten Blick hin zog er die Achseln hoch. »Nur für den Fall der Fälle ... zur Selbstverteidigung.«
»Ich soll mich gegen Wölfe oder diese seltsamen Bestien, die noch im Gebirge hausen, also mit einem Dolch verteidigen? Welch glänzender Einfall! Habt Ihr genauso wenig Vertrauen in Eure Fähigkeiten wie ich?« Die Priesterin schüttelte den Kopf, so dass die Haare flogen, und wandte sich an Gideon. »Habt Ihr das gehört? Ihr nennt Euch doch einen Gelehrten. Seid Ihr tatsächlich immer noch der Ansicht, unsere Reise könnte von Erfolg gekrönt sein?«
Der Verianer spürte Hitze in sich aufsteigen. Allerdings nicht vor Verlegenheit, sondern aus Wut. Ohne etwas zu erwidern, erhob er sich ebenfalls und nahm Rhonan den Dolch ab. »Zeig mir, was ich machen soll ..., wenn möglich jedoch im Sitzen! Rumlaufen solltest du noch nicht.«
»Das wird schwierig«, gab der zu bedenken und kratzte sich am Kopf. »Wenn dein Gegner nur noch sitzen kann, kannst du ihn nämlich getrost sich selbst überlassen.«
Gideon legte den Kopf schief und grinste, und selbst Caitlin versteckte ein Lächeln hinter ihrer Hand.
Auf Rhonans Vorschlag hin baute der Verianer aus Holz und seinem alten Umhang einen zwar unbeweglichen, dafür jedoch aufrechten »Feind«. Der Gelehrte bemühte sich eifrig, schien aber – zumindest, was Waffen betraf – zwei linke Hände zu haben. Sooft er den Dolch warf, so oft verfehlte er die Umhangpuppe. Im »Nahkampf« bewegte er sich dann so langsam, dass jeder Gegner, der nicht aus Holz war, leichtes Spiel gehabt hätte.
Ein ums andere Mal forderte sein Lehrer: »Nach dem Stich sofort zurück! ... Biete dem Gegner nicht deinen Oberkörper als Ziel! ... Benutz den linken Arm als Schild! ... Du musst sicheren Stand haben, wenn du zustichst!«
Gideon schwitzte bald, und irgendwann gab er auf. »Es tut mir leid, dass ich immer dieselben Fehler mache. Ich weiß, wie es gehen sollte. Nur, mein schlapper Körper gehorcht nicht meinen Befehlen. Offensichtlich muss man zum Krieger geboren sein.«
Diese Aussage veranlasste Caitlin, ihr trotziges Schweigen zu brechen. »Bei allem, was recht ist, das sieht einfacher aus als tanzen«, warf sie ein. »Bevor ich vor Langeweile einschlafe, versuche ich es auch einmal.« Sie erhob sich graziös und ließ sich von dem verblüfften Verianer den Dolch reichen.
Sooft sie den Dolch warf, so oft traf sie.
Gideon war voll des Lobes, und Rhonan, der nicht verstehen konnte, wie ein Mensch auf diese Entfernung überhaupt danebenwerfen konnte, war so nett, sie als »unerwartet geschickt« zu bezeichnen.
Das stachelte die Prinzessin noch mehr an. Während sie selbst jetzt Rhonans vorherige Anweisungen herbetete, stach sie auf den hölzernen Gegner ein. Sie stieß vor und sprang zurück, stieß und sprang. Das tat sie schließlich so gut, dass der Prinz ihre Angriffe verfeinerte.
Gideon, der sich damit beschäftigte, ihr Mahl zuzubereiten, drehte sich fast der Magen um, als Rhonan erklärte, wie man eine Finte schlug, um an die Kehle des Gegners zu kommen, oder wie sie den Dolch in der Wunde hochreißen sollte, wenn sie nur den Oberkörper traf.
Caitlin jedoch hörte mit geröteten Wangen und leuchtenden Augen zu und versuchte, die Anweisungen in die Tat umzusetzen. Dass sie den Männern irgendwann das »Du« anbot, sah Gideon als ersten Schritt zu einem verträglicheren Miteinander.
Der Blick des Prinzen wurde allmählich klarer, glitt dafür aber immer häufiger und sehnsüchtiger zum Lederbeutel. Immer wieder zuckte dessen Hand, und immer wieder wurde sie zurückgezogen.
Gideon, dem weder das entging noch, wie das Zittern nach und nach den ganzen Körper befiel, schöpfte ein wenig Mut. Wenn der Prinz sich einmal entschieden hatte, fehlte es ihm augenscheinlich zumindest nicht an Entschlossenheit. Doch immer schneller verschlechterte sich dessen Zustand. Er schien gleichzeitig zu schwitzen und zu frieren und sackte mehr und mehr in sich zusammen.
Irgendwann antwortete er nicht mehr auf Caitlins Fragen, und schließlich bekam er den ersten Schüttelfrost. Sämtliche Umhänge und Decken halfen nicht. Gideon und Caitlin schleppten ihn letztlich zur heißen Quelle. Der Verianer überlegte nur kurz, ob das heiße Wasser der frischen Wunde schaden könnte, doch die blutleeren Lippen und die eiskalte Haut seines Schützlings ließen
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