Neobooks - Die Zitadelle der Träume
ihrem ausgedehnten und üppigen Mahl genauso ausdruckslos geblieben wie bei ihrem Gang durch die da’Kandar-Festung und über den Burghof, dabei war sie absichtlich über den Platz gegangen, auf dem der Scheiterhaufen seinerzeit gebrannt hatte. Aber er hatte sich nicht ein einziges Mal umgesehen.
Was immer man über den da’Kandar-Bengel sagen konnte, er hatte sich gut im Griff. Doch auch das würde ihm letztendlich nichts einbringen. Beherrscht oder unbeherrscht – sterben würde er trotzdem nach getaner Arbeit.
Das Lächeln der Nebelkönigin vertiefte sich unwillkürlich bei diesem Gedanken.
»Wir haben eine sehr schöne Aussicht hier, nicht wahr? Wenn wir Junas Angaben trauen dürfen – und davon gehe ich aus –, ist das tapfere Befreiungsheer bald hier. Ach, habe ich Euch eigentlich schon gesagt, dass die Siegel endlich auf der Nebelinsel eingetroffen sind. Martha macht sich noch heute mit ihnen auf den Weg. Ich sage es ja immer: Dem, der warten kann, erfüllen sich am Ende alle Wünsche fast von selbst.«
In hilflosem Zorn ballte er die Hände zu Fäusten und presste die Lippen zusammen.
Er hatte bereits einer Demonstration der Macht Ayalas beiwohnen dürfen. Um die Schwarze Quelle zu schützen, hatte Maluch etliche Schattenkrieger am Eingang zum Wolkengebirge zurückgelassen. Doch für die Nebelfrauen waren sie keine Gegner gewesen. Die schwarzen Hünen waren einfach tonlos zusammengebrochen. Rhonan hätte noch nicht einmal sagen können, aus welchem Grund. Erst, als sie die Leichname passiert hatten, war ihm aufgefallen, dass aus allen Rüstungsspalten Blut geflossen war.
»Sie sind zerplatzt«, hatte die Königin ihm kalt lächelnd erklärt. »Trügen sie nicht ihre schweren Rüstungen, wären ihre Körperteile jetzt wohl überall verstreut. So ist es angenehmer, nicht wahr?«
Mit Grauen dachte er jetzt an Derea, der üblicherweise nicht einmal eine Lederrüstung trug.
Die Königin seufzte vor Entzücken. »Ihr wirkt ein wenig angespannt, mein Guter. Soll ich Euch vielleicht einen Wein bringen lassen?«
»Wollt Ihr Eure Unsterblichkeit wirklich mit so viel Blut an den Händen erkaufen?«, begann er einen letzten Versuch. »Ihr habt schon drei Siegel, und ich werde Euch den Weg zur Quelle öffnen. Lasst mich nur mit Canon sprechen. Sie werden wieder abziehen. Warum sollen Unschuldige sterben?«
Ihr Lachen hallte von den Bergwänden wider. »Unschuldige Krieger? Kann es die denn überhaupt geben? Und ausgerechnet Ihr sprecht zu mir von Blut an den Händen? Die Blutspur, die Ihr hinterlasst, wo immer Ihr auch auftaucht, dürfte kaum zu überbieten sein.«
Ihre Augen verengten sich ein wenig. Nebel drang in dicken Schwaden in die Schlucht. Das war hier nicht weiter ungewöhnlich, denn das Wolkengebirge hatte seinen Namen daher, dass es sehr oft in tiefhängende Wolken oder in Nebel getaucht war. Aber Ayala empfand es als Ärgernis, dass sie so dem großen Sterben nicht richtig zusehen konnte. Außerdem hätte sie doch ganz gern zumindest einen einzigen Blick auf ihre Söhne geworfen. Marlena hatte schließlich erzählt, der jüngere wäre ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.
Eine Priesterin unterbrach ihre Gedanken, denn sie kam in diesem Augenblick mit gerafften Röcken den schmalen, steilen Pfad zum Plateau hochgeeilt. »Es zieht ein Unwetter auf, meine Königin«, erklärte sie, kaum, dass sie oben war. »Und wir haben das Heer gesichtet. Es sind vielleicht achtzig Mann, und sie kommen zu Fuß und haben gerade den Fluss überquert.«
»In der Luft ist nichts zu sehen?«
Die jüngere Frau schüttelte den Kopf. »Nur dunkle Wolken, aber die kommen dafür schnell näher.« Ein dumpfes Grollen erfüllte in diesem Augenblick schon die Luft. Ein erster Blitz zuckte am Horizont.
»Gut, meine Liebe. Berichte mir weiter, was Dora sehen kann.«
Sie blickte erneut den Prinzen an. »Ist es nicht seltsam, dass ausgerechnet ich Schwierigkeiten habe, geistige Verbindungen länger aufrechtzuhalten? Aber jeder hat wohl einen kleinen Makel, nicht wahr? Eure Trunksucht habt Ihr in der Zwischenzeit irgendwie abgelegt, aber, wie mir gestern auffiel, hinkt Ihr wieder.«
Rhonan schenkte ihr gar keine Beachtung, sondern starrte mit leerem Blick in die Schlucht, in der der Nebel immer dichter wurde und stetig weiter anstieg. Eine Eiseskälte hielt ihn gefangen, denn gleich sollte er erneut zusehen, wie Freunde und Wegbegleiter starben.
Ayala genoss ihre Überlegenheit sichtlich und strahlte übers ganze
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