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Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)

Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)

Titel: Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. S. Anderson
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Schrotflinte. Ross wendete den Wagen und stieg langsam aus.
    »Miss Whittaker kommt gleich«, sagte der Mann im Cordjackett ohne Gruß und Einleitung, bevor er ohne Eile die Stufen hinaufstieg und hinter den großen Eingangstüren verschwand.
    Ross blieb beim Wagen. Das Schloss schien unbewohnt. Im Park war niemand zu sehen. Es war warm und still bis auf das Geräusch vorbeifahrender Autos auf der entfernten Straße und die Stimmen der Vögel in den Bäumen. Einmal glaubte er, in der Ferne große Hunde bellen zu hören. Es sah so aus, als hätte die kleine Miss Whittaker kein Publikum, wenn sie in die gepanzerte Limousine stieg. Zwanzig Minuten verstrichen, dann trug der Mann mit dem Cordjackett Koffer die Treppe herunter. Es war eine Menge Gepäck für ein Kind. Ross öffnete den Kofferraum und half beim Einladen. Wieder verging Zeit.
    Ross stand mit dem Rücken zum Gebäude, als er plötzlich halblaute Stimmen hinter sich hörte. Er sah sich um. Oben auf der Treppe, auf dem Absatz vor den Türen, unterhielten sich zwei Frauen. Eine war älter, schmucklos und streng gekleidet und frisiert, vielleicht eine Ordensschwester in einem modernen Habit. Die andere war jung, und sie war groß. Nicht einfach groß: riesig. Zwei Meter, schätzte Ross, aber er konnte ihre Füße nicht sehen, und vielleicht trug sie ja Absätze. Und sie war nicht nur lang, sondern auch schwer. Nicht dick, aber … Ross blickte fasziniert zu den beiden Frauen hinauf. Die Ältere wurde von der Jüngeren um fast einen halben Meter überragt. Sie war zurückgetreten, um bei der Unterhaltung den Kopf nicht zu weit in den Nacken legen zu müssen. Die junge Frau tat ihr nicht den Gefallen, sich kleiner zu machen. Sie stand hoch aufgerichtet da und blickte auf die Ältere hinab. Die beiden konnten sich nicht leiden, so viel stand fest. Das Gespräch war einseitig und kurz. Am Ende machte die Jüngere eine Art verzögerten Knicks, um auf Augenhöhe mit der anderen zu sein, und sie tauschten ohne Herzlichkeit französische Wangenküsse aus. Ross hätte wetten können, dass sich ihre Gesichter nicht berührten. Er wurde sich bewusst, dass er glotzte, und korrigierte seine Haltung und seinen Gesichtsausdruck, aber er konnte seinen Blick nicht abwenden, als die junge Frau die Treppe herabkam. Trotz ihrer Masse war sie leichtfüßig und bewegte sich anmutig, und trotz ihrer Größe war sie ohne Schlaksigkeit. Sie trug eine Art Business-Outfit, das wohl ihre Schuluniform war, und dazu schwarze Nylonstrümpfe. Eine Provokation, vermutete Ross, wie auch ihre anmaßende Positur während des Gesprächs. Und ja, sie hatte Pumps mit fünf Zentimeter hohen Absätzen an. Sie hatte offenbar keine Probleme mit ihrer Größe. Es irritierte ihn, dass sie ihn ansah und auf ihn zukam. Als sie auf den letzten Stufen war, erkannte er – an der Haltung, einer Handbewegung, irgendwie – ihren Vater an ihr.
    Das war Whittakers Tochter.
    Die Erkenntnis traf Ross wie eine Druckwelle.
    Das …!
    Sekundenlang war er wie betäubt. Dann begann er tastend, sich ein neues Bild von seiner Lage zu machen. Wieso hatte er die ganze Zeit geglaubt, ein Kind von der Schule abzuholen? Hatte er etwas übersehen? Überhört? Nein. Nein? Nein. Whittaker hatte ihm suggeriert, es ginge um ein Kind. Aber warum? Also gut: Es gab gar kein Kind, es gab eine junge Frau, einen Haufen Geld und ein gepanzertes Auto. Und nun, dachte er, wie geht’s jetzt weiter? Was wird als Nächstes passieren? Er kämpfte immer noch mit seiner Überraschung, als die junge Frau schon fast bei ihm war. Ross war nur wenig mehr als mittelgroß. Ehe er entscheiden musste, ob er zurücktreten oder zu ihr aufsehen sollte, blieb sie stehen.
    »Mr. Ross?«
    Aus der Nähe sah man, dass sie höchstens zwanzig Jahre alt war. Keine Frau, ein Mädchen. Eher gutaussehend als hübsch … dichtes, aschblondes Haar zu einem armdicken Zopf geflochten … und irgendwas stimmte nicht mit ihrem Gesicht.
    »Miss Whittaker.«
    »Gibt es ein Problem?« Sie hatte die etwas heisere, kräftige Stimme von Menschen, die in großen, lautstarken Familien aufgewachsen sind.
    »Ehm, nein.«
    Er trat schnell vor, wie abgerichtet, und öffnete ihr die hintere Wagentür, aber sie stieg erst ein, als ihm eingefallen war, seine Tasche vom Rücksitz zu nehmen. Ross lief um den Wagen zum Kofferraum und dann zur Fahrerseite und rätselte darüber, ob man an Schulen wie dieser hier lernte, seinen Willen wortlos geltend zu machen, oder ob sie das von ihrem Vater

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