Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
kurzen Weg, bis er ein sicheres Ziel bot. Er ließ ihn noch ziehen, dann krümmte er ohne Eile den Finger. Er sah, wie die Kugel ein Loch in das Hemd des Mannes schlug, der Einschlag einen Schock durch seinen ganzen Körper sandte, wie er stürzte und auf dem Rücken liegen blieb.
Ross empfand keinen Triumph, nicht einmal Erleichterung. Das Adrenalin erlaubte ihm keine Pause. Der Mann, der auf dem Gesicht lag, war noch nicht tot; eines seiner Beine zuckte krampfartig. Ross hinkte um ihn herum, um ihn in den Kopf zu schießen. Bevor er abdrücken konnte, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung des Mädchens wahr und sah sich zu ihr um. Ihre Blicke begegneten sich. Sie stand schwer atmend da, leicht vornübergebeugt, die Hände auf die Ohren gepresst, und starrte ihn mit offenem Mund an, erschrocken und zugleich erwartungsvoll. Das blasse Auge flackerte in ihrem erhitzten Gesicht. Dreh dich um, dachte Ross, schau weg. Sie rührte sich nicht. Er nahm vorsichtig den zitternden Finger vom Abzug. Dann eben nicht. Die Männer waren tot oder gerade dabei zu sterben. Die Kugeln mussten große Austrittswunden gerissen haben, denn obwohl sie erst wenige Sekunden lagen, sickerte reichlich Blut unter ihren Körpern hervor. Scharfer Gestank machte sich breit; die Schließmuskeln der Sterbenden hatten sich gelöst.
Ross sah sich rasch um. In dreißig Metern Entfernung stand der Van in der Dämmerung. Der Fahrer hatte den Fuß auf der Bremse und markierte überdeutlich die Rückseite des Fahrzeugs durch ein Dreieck aus Bremsleuchten. Der Idiot. Ross feuerte wütend auf den Van und verschoss seine letzte Patrone. Nach dem Schuss blieb der Verschluss der Pistole offen. Zitternd stand er zwischen den Toten und sah die Bremslichter erlöschen; der Van fuhr an und entfernte sich.
Und jetzt? Los! Zeit! Wie lange hatte das Ganze gedauert? Drei, vier Minuten? Zwei? Eine? Die Schießerei musste noch zwei Etagen über ihnen zu hören gewesen sein. Nichts wie weg von hier. Jeden Moment konnten Streifenwagen die Rampen herunterkommen. Ross drehte sich zu dem Mädchen um und griff einen ihrer Ärmel, um sie zum Wagen zu ziehen. Sie reagierte mit einer brüsken Bewegung, und er zuckte in Erwartung eines Schlages zurück, aber er ließ nicht los. Sie folgte ihm nur wenige Schritte weit, bemüht, nicht in die Blut- und Urinlachen zu treten, die sich schnell ausbreiteten. Dann wollte sie sich auf einmal von ihm losmachen. Dabei erwischte sie einen Moment, in dem er sein verletztes Bein belastete, und warf ihn fast um. Er schrie auf vor Schmerz und Überraschung und kämpfte schwankend um sein Gleichgewicht. Über das monotone Singen in seinem mißhandelten Gehör und wie durch eine Wattierung hörte er sich selbst nur dumpf und das Mädchen überhaupt nicht, als sie sich zu ihm beugte und etwas sagte. Ihr Mund formte ein M und ein Sch. Er hielt ihren Arm fest, bis sie das Auto erreicht hatten, und riss die hintere Wagentür auf, die mit der Einschussstelle in der Scheibe. Sie kroch ohne zu zögern mit dem Oberkörper voran auf die Rückbank und zog schnell die langen Beine nach. Die Innenseite ihrer bestrumpften Schenkel war nass. Ihre Schuhe hatte sie verloren, und die Rückennaht ihres Blazers und eine Seitennaht des Rocks waren aufgeplatzt. Ross warf die Tür zu und umrundete den Wagen so schnell er konnte, torkelnd wie ein Krüppel, die leer geschossene Pistole mit beiden Händen haltend wie einen Talisman. Als er sich in den Fahrersitz fallen ließ, meldeten sich erste Schmerzen in der tauben Hälfte seines Brustkorbs; die Luft blieb ihm weg, und er musste gegen aufsteigende Übelkeit ankämpfen. Jetzt nicht, dachte er, jetzt noch nicht; hoffentlich ist kein lebenswichtiger Teil von mir verletzt, hoffentlich habe ich keine inneren Blutungen. Jetzt nicht! Sein ganzer Körper pulsierte; seine Hände flatterten, während er mit dem Schlüssel hantierte. Im Mund hatte er den metallischen Geschmack, der die Adrenalinflut begleitete. Das war angenehm. Das war gut. Das hieß, dass er noch Reserven hatte. Er drängte Brechreiz und Schmerz zurück, zwang sich, nicht in seinen Körper hineinzuhorchen und seine Hände zur Ruhe, konzentrierte sich auf das Auto. Schlüssel, Starterknopf, Reverse – langsam!
Der Wagen rollte rückwärts an. Im Außenspiegel erschienen die beiden Erschossenen. Ross stampfte auf die Bremse. Sie lagen im Weg. Er starrte in den Spiegel und wusste, dass er nicht wieder aussteigen würde, um sie beiseitezuräumen. Nicht in
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