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Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)

Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)

Titel: Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. S. Anderson
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sie herankamen, wie um in den Wagen zu blicken. Jetzt. Ross nahm den Fuß vom Gas und machte sich bereit zu bremsen. Aber sie wurden nicht angehalten. Im Vorbeirollen sah er, wie der Junge sich aufrichtete und die Hand zur Mütze hob. Salutierte er vor ihnen? Vor dem imponierenden Auto? Vor dem Mädchen? Ross suchte sie im Innenspiegel. Sie war nicht zu sehen. Im Außenspiegel wurde der Grenzübergang hinter ihnen langsam kleiner. Ihre Straßenseite verengte sich wieder auf zwei Spuren, von rechts kommend reihten sich die Trucks wieder in den Verkehr ein, und der Fluss der Fahrzeuge beschleunigte sich.
    Ross konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, das Gaspedal bis zum Wagenboden durchzutreten, und hätte fast gelacht. Was für eine erbärmliche Grenze ist das, sagte er sich, ich erschieße drei Männer und überquere eine Dreiviertelstunde später unbehelligt zwei Grenzposten. Keine Passkontrolle, keine Bewaffneten, keine Durchsuchungen, keine Drogen- und Sprengstoffhunde, nichts. Europa, dachte er verwundert. In welchem Land waren sie jetzt überhaupt?
    Ross ließ den Wagen im Verkehr treiben. Nach einer halben Stunde hatten sie die Grenzregion hinter sich gelassen. Die Besiedlung nahm immer mehr ab und verschwand dann fast ganz. Sie rollten durch eine bergige Gegend, durch Wälder und Viehweiden. Weil er kein Ziel hatte, versuchte er nicht, schnell vorwärtszukommen, sondern fuhr auf der rechten Spur im Strom der großen und kleinen Trucks mit. Außerdem fühlte er sich nicht in Form für eine eilige und deshalb anstrengende Fahrt. Die Schmerzen kamen jetzt in Schüben, unterschiedlich stark und in unregelmäßigen Abständen, anfangs waren sie auch von Übelkeit begleitet. War sein Magen verletzt? Wenn der Brechreiz wieder einmal anschwoll und er nach einer Haltemöglichkeit Ausschau hielt, sah er sich schon schwarze Klumpen geronnenes Blut in das schmutzige Gras am Straßenrand kotzen. Aber nach und nach wurden die Anfälle schwächer und hörten schließlich ganz auf. Es blieben nur die Schmerzen, die sich aushalten ließen, wenn er keine unvorsichtigen Bewegungen machte, und von denen er hoffte, dass er sich an sie gewöhnen, oder dass sie nachlassen würden.
    Seine zweite Sorge war die Zeit. Sie hatten die Grenze gegen halb fünf überquert. Vor zweiundzwanzig Uhr war es nicht dunkel. Wenn nach ihnen gefahndet wurde, dann waren sie bis zum Einbruch der Nacht leichte Beute für Streifenwagen, Polizeihubschrauber, Trucker mit CB-Funk und alle anderen Autofahrer mit Mobiltelefonen, die im Autoradio von der Fahndung gehört hatten.
    Aber, noch waren sie frei, er und das Mädchen. Wenn alles weiter gutging, und sobald es dunkel war, sobald sie richtig weit von der Grenze entfernt waren und er sich sicherer fühlte, würde er an einer Tankstelle eine gute Straßenkarte kaufen. Ja, sagte er sich, damit fange ich an. Und morgen besorge ich uns ein unauffälliges Auto. Dann sehen wir weiter.
    Er sah in den Rückspiegel. Das Mädchen begegnete seinem Blick; sie schien auf ihn gewartet zu haben und beugte sich vor. Als sie sprach, merkte er, dass sein Gehör noch immer dick wattiert war.
    »Wohin fahren wir?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Ross fürchtete, dass sie eine Erklärung verlangen würde, aber sie sagte nach einer kleinen Pause nur: »Ich möchte mich umziehen.«
    »Jetzt nicht.«
    Sie lehnte sich wieder zurück. Durch den Spiegel beobachteten sie einander. Sie betrachtete ihn, weder herausfordernd noch schüchtern, ohne Neugier, mit dem undurchdringlichen Blick einer Katze. Irgendwie, fand er, wirkte sie ein bisschen exotisch, vielleicht wegen ihrer schmalen Augen und den dichten dunklen Wimpern und Augenbrauen. Sie sah überhaupt nicht aus wie ihr Vater, obwohl sie ihm ähnlich war. Ross versuchte, sich ihre Mutter vorzustellen, während er darauf wartete, dass sie noch etwas sagen, dass vielleicht eine ganze Lawine angestauter Emotionen verbal auf ihn niedergehen würde. Aber es kam nichts. Er sah als Erster weg.
    Sie hält sich gut, dachte er, bis jetzt wenigstens. Keine Tränen, keine Klagen, kein hysterisches Gequassel. Selbst die meisten Männer, die er kannte, hätten in der vergangenen Stunde zwanghaft geredet, den Kampf in der Tiefgarage wieder und wieder nacherzählt, um den Schrecken, den Stress und die erlittene Aggression zu erden. Das Mädchen schien dieses Bedürfnis nicht zu haben. Ross sah noch einmal schnell in den Spiegel – sie sah zwar etwas mitgenommen aus, aber nicht so, als stünde sie

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