Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
Bordeaux. Nantes.«
»Und wir?«
»Hier.« Der Finger hielt ziemlich in der Mitte der Südhälfte des Landes. Ross deutete auf die Küstenlinie zwischen den beiden zuletzt genannten Städten und sagte: »Was gibt es hier?«
Der Mann zuckte die Schultern. »Fisch. Touristen.«
Touristen sind gut, dachte Ross, viele Menschen, keiner kennt keinen. »Gibt es in der Gegend einen internationalen Flughafen?«
»In Bordeaux, glaube ich.«
Richtig, da war ein kleines Airport-Zeichen. Ross deutete wieder auf die Stelle, wo es Fisch und Touristen gab.
»Wie komme ich da hin?«
»Über die Neun-Einundvierzig und die Eins-Einundvierzig.«
»Wie lange brauche ich?«
»Vier Stunden, vielleicht weniger.« Der Blick wanderte zu der Limousine zwischen den Zapfsäulen. »Kommt drauf an.«
Kommt darauf an. Ross sah zu, wie der Mann die Karte vorsichtig anhob, um seine Auslage nicht durcheinanderzubringen, und sie dann umständlich faltete. Auf seinen haarigen Unterarmen hatte er flächige Narben, wo mit einer aggressiven Chemikalie vor längerer Zeit einmal Tattoos weggeätzt worden waren. Drei schwarze Punkte zwischen Daumen und Zeigefinger einer Hand waren übrig geblieben. Er hielt Ross die Karte hin.
»Fünf-Fünfzig.«
Ross zog aus einem Packen mehrere blaue Scheine und sagte: »Ich bin schon den ganzen Tag unterwegs. Vier Stunden ist lang. Ohne ein bisschen Aufmunterung schaffe ich das nicht.« Er faltete die Scheine, jeden einzeln, auf den Tresen und deckte sie mit der flachen Hand zu.
»Ich weiß nicht. Wie meinst du das?«
»Hey, Mann, du arbeitest doch Nachtschichten, du weißt doch, wie das ist.«
»Bist du ein Bulle?«
Was für eine idiotische Frage. Ross hob die die Hand, bis das Geld zu sehen war, und ließ sie wieder sinken. »Was denkst du?«
Der Mann starrte ihn eine Weile unschlüssig an und sah noch einmal zu dem Wagen. Dann ging ihm erkennbar ein Licht auf. »Du warst ein Bulle.«
Er bückte sich und tastete die Taschen einer Lederjacke ab, die über einem Drehstuhl bei der Registrierkasse hing. Als er wieder hochkam, präsentierte er auf der Handfläche einen kleinen, durchsichtigen Ziploc-Beutel. Ross zählte zehn weiße Tabletten.
Der Mann drehte seine haarige Hand um und verdeckte die Tabletten so, wie Ross das Geld. Ross überlegte, ob er ihm drohen sollte: Wenn du mir Dreck verkaufst, dann komme ich zurück, oder, dann sorge ich dafür, dass du wieder einfährst. Nein. Er würde eine Drohung nicht wahrmachen können. Für den Austausch bewegten sie ihre Hände gleichzeitig über den Tresen aneinander vorbei. Ross öffnete den kleinen Beutel sofort und legte sich eine der Tabletten auf die Zunge. Er wollte wenigstens keine Tictacs oder Aspirin angedreht bekommen.
Der Mann sah ihm zu.
Er sagte: »Die sind okay, Alter. Ich nehme die selbst. Die halten wach und machen glücklich, du weißt schon. Nimm nicht so viele auf einmal, sonst musst du dauernd pissen.«
Pissen? Hoffentlich habe ich nicht gerade für hundert Dollar Koffein gekauft. Ross steckte die Tabletten und die Karte ein und nahm auf dem Weg nach draußen noch eine Literflasche Cola mit. Als er am Wagen ankam, sah er schon von außen, dass das Mädchen noch immer Arm und Kopf auf der Rückenlehne hatte. Er öffnete die Fahrertür behutsam und manövrierte sich vorsichtig in seinen Sitz. Dann drehte er sich um, so weit es die Schmerzen zuließen. Sie war wach; ihre Augen waren offen. Das blasse Auge leuchtete verräterisch. Kein Grund, übertrieben leise zu sein. Ross drehte den Verschluss der Flasche auf und reichte sie nach hinten. Sie trank mehrmals und stieß zwischendurch diskret die Kohlensäure auf. Dann knirschte das Sitzleder, und die Flasche erschien neben seinem Gesicht. Er nahm eine zweite Tablette und trank ebenfalls. »Möchten Sie mal aussteigen?«
Es dauerte, bis sie antwortete.
»Ich habe keine Schuhe.«
Und? Ross wartete, aber das war alles. Nach einer Weile drückte er den Startknopf. Als sie zur Straße rollten, meldete sie sich doch noch einmal.
»Wie lange fahren wir noch?«
»Ein paar Stunden.«
Ross sah sie nicht und hörte auch nichts mehr von ihr, aber plötzlich spürte er, dass sie mit der Antwort nicht zufrieden, dass sie ärgerlich war. Wie am frühen Abend, als sie sich gegenseitig im Spiegel betrachtet hatten, erwartete er wieder, dass sie weiterreden würde, aber auch dieses Mal kam nichts. Stattdessen war die Atmosphäre eine Minute lang mit ihrer Gereiztheit aufgeladen wie durch
Weitere Kostenlose Bücher