Neonazis in Nadelstreifen
auszubauen. »Die bayerische NPD steht unter den Landesverbänden im Westen relativ gut da: Er ist der mitgliederstärkste; die sieben Bezirksverbände sind flächendeckend organisiert«, betonte Rüdiger Schrembs 2007 , damals NPD -Landesvorstandsmitglied.
Zur Landtagswahl 2003 war die NPD in Bayern noch nicht so gut aufgestellt. An ein Antreten zur Wahl mochte die Parteiführung damals gar nicht denken. Udo Voigt, der im oberbayerischen Moosburg lebt, kennt das Flächenbundesland bestens. Über sechs Jahre lang war der NPD -Bundesvorsitzende dort Landeschef. Bayern war zu dieser Zeit noch eine Bastion der Republikaner ( REP ) und der Deutschen Volksunion ( DVU ). Für die nicht parteigebundene rechte Szene erschien die NPD auch nicht gerade attraktiv. Die »Freien Kameradschaften« dominierten das Spektrum. Den »Kampf um die Straße« zogen sie damals dem »Kampf um die Parlamente« noch vor. Schon ab 1999 hatten Norman Bordin und Martin Wiese stetig die Kameradschaft Süd – Aktionsbüro Süddeutschlands ( KS Süd) in München aufgebaut. Zwei Jahre nach der Gründung offenbarte sich der äußerst radikale Charakter der Münchener Neonazi-Strukturen. Am 13 . Januar 2001 feierte Martin Wiese mit seinen Kameraden in der Gaststätte »Burg Trausnitz« seinen Geburtstag. Der neonazistische »Barde« Michael Müller, der 2008 für die NPD in Niedersachsen bei der Landtagswahl kandidierte, trat mit der Gitarre auf. Der feuchtfröhliche Abend endete mit einer Hetzjagd der »Kameraden« auf einen vorbeikommenden griechischen Passanten. Die Neonazis schlugen ihn fast tot und griffen türkische Gäste, die dem Griechen aus einer gegenüberliegenden Gaststätte zur Hilfe kommen wollten, brutal an. Norman Bordin wurde mit anderen am Abend verhaftet, noch in der Zelle schlug er einen Mithäftling zusammen. Die Richter verurteilten Bordin zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Briefe aus der Haft datierte er mit der Zahl der seit der Geburt Adolf Hitlers vergangenen Jahre. So schrieb er im Januar 2001 » 112 JdF« (Jahr des Führers).
Bis 2003 versuchte die NPD in Bayern noch nicht, eine politische Zusammenarbeit der nationalistischen Kreise zu bewerkstelligen. Die eigentliche Initiative dazu ging von den »Freien Kräften« aus. Mit der AG Bayern bemühte sich damals Kameradschaftsführer Wiese um die Vernetzungen. Er half mit seiner Truppe, NPD -Infostände auszurichten.
Wieses bündnispolitische Bemühungen endeten 2003 abrupt, aber nicht wegen interner Streitigkeiten. Zunächst hatte er mit NPD -Anhängern Aktionen gegen die Grundsteinlegung für das neue jüdische Gemeindezentrum auf dem Münchner Jakobs-platz geplant. Im September jenes Jahres wurden jedoch seine weitergehenden Pläne für einen Bombenanschlag publik. Eine sogenannte »Kerntruppe« seiner Kameradschaft hatte Schusswaffen, Handgranaten, eine Rohrbombenhülle und Sprengstoff besorgt und darüber gesprochen, bei der Grundsteinlegung am 9 . November 2003 mit hochexplosivem TNT oder einer Handgranate einen Sprengstoffanschlag verüben zu wollen. Wenige Tage vorher schritten die Behörden wegen »Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung« ein. 2005 verurteilte das Bayerische Oberste Landgericht Wiese wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung und zahlreicher Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz zu sieben Jahren Haft, die er zurzeit absitzt.
Nach dem Wahlerfolg in Sachsen erfolgte 2004 auch bei der NPD in Bayern ein Kurswechsel. Ohne die Zusammenarbeit mit den »Freien Kameradschaften«, räumte Bundeschef Voigt ein, wäre der Einzug ins Dresdener Landesparlament nicht gelungen. In Nürnberg schien Ralf Ollert die Botschaft verstanden zu haben. Der gelernte Außen- und Großhandelskaufmann suchte die Nähe zu den Kameradschaften.
Mit eloquenten Reden vor großem Publikum fiel der Nürnberger selten auf, allerdings kann er langjährige parlamentarische Erfahrungen vorweisen. In seiner Geburtsstadt sitzt er seit 2003 für die Liste Bürgerinitiative Ausländerstopp im Stadtrat. Ollert, immer mit Brille und meist im Anzug, bemüht sich, nett und zuvorkommend aufzutreten. Die Botschaften klingen weniger freundlich. In einem Antrag zum Betreuungsgeld klagte Ollert Mitte August 2007 , dass die »Pläne« der anderen Parteien in »erster Linie auf den ›erhöhten Integrations-Förderbedarf‹ für ausländische Kinder« ausgerichtet seien statt die »Rückkehrbereitschaft in die
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