Neptuns Tochter 2
war sicher von langer Hand geplant. Langer faltiger Hand, mit Altersflecken darauf.
»Und wie würden Sie das Verhalten meiner Großmutter zusammenfassen, wenn es um Mika und mich geht, Petra?«, fragte Timea mit hochgezogenen Brauen.
»Zwingend erforderlich«, kam es wieder in einem Tempo zurück, mit dem die Antwort die Frage eigentlich überholt haben musste.
»Danke Petra«, sagte Adrienn Illay und zu ihrer Enkelin gewandt: »Noch Fragen, Timea?«
Die schaute sprachlos zwischen ihrer Großmutter und Petra Lorentz hin und her. Wie selbstgefällig die beiden Frauen aussahen. Vermutlich hätten sie sich noch gegenseitig auf die Schultern geklopft, weil sie sich einig waren. Wie immer.
Mit einem Mal begann es in Timea zu brodeln, wie in einem Vulkan. »Das gilt jetzt für euch beide«, legte sie beherrscht los. »Ich bin eine erwachsene Frau, aber das scheint hier niemanden zu interessieren. Warum sonst werden meine Wünsche in diesem Haus neuerdings völlig ignoriert? Du, Großmutter, predigst mir ständig, wie wichtig es ist, die Menschen zu respektieren. Kannst du mir sagen, ob ich etwas verbrochen habe, weil ihr vor mir offensichtlich keinen Respekt habt?«
Timea konnte sich nicht zurückhalten. Auch wenn sie es wollte.
Was sie aber nicht tat, denn viel zu lange haben sich diese beiden in ihr Leben eingemischt. In einer Form, die nicht mehr tragbar – oder ertragbar war.
Damit war jetzt Schluss!
»Ich verbitte mir ein für alle Mal, dass ihr mir ständig irgendetwas einreden wollt, nur weil es euch in den Kram passt. Zwischen Mika und mir ist nichts. Fertig. Sie wird heiraten, und anscheinend ist sie von den Hochzeitsvorbereitungen so eingespannt, dass sie keine Zeit hat, sich zu melden.«
Der Raum, ihre Großmutter, Petra Lorentz traten immer weiter in den Hintergrund, bis Timea nur noch verschwommene Umrisse wahrnahm. Sie schüttelte den Kopf und holte sich dadurch wieder in ihr Büro zurück.
Sie fixierte Petra, weil es bei ihrer Großmutter keinen Sinn gemacht hätte. »Also, hört endlich damit auf, mich wie ein Kind zu behandeln.«
Das Lächeln von Timeas Großmutter vertiefte sich.
Petra Lorentz verschloss ihr Gesicht, abgesehen von den sich kräuselnden Lippen.
Timea schluckte, weil ihr bewusst wurde, was sie eben von sich gegeben hatte. »Schafft ihr das?«, fragte sie, über die Erkenntnis hinweggehend.
»Ich verspreche, und da kann ich sicher auch für Petra sprechen«, sagte die Großmutter ruhig, »dass wir in Zukunft nur noch deine Wünsche im Auge behalten werden.«
»Dem kann ich nur zustimmen, Frau Illay«, sagte Petra Lorentz. Sie richtete sich an ihre Arbeitgeberin. »Soll ich Sie in Ihre Räume begleiten?«
Einträchtig verließen die beiden Frauen das Büro. Timea schaute ihnen hinterher. »Dass sie keine Zeit hat, sich zu melden«, murmelte sie. »Das hast du wirklich toll hinbekommen, Timea. Damit hast du dir bestimmt Respekt verschafft.«
Sie massierte sich die Schläfen. Wenn sie nicht endlich zur Ruhe kam, würde sie noch durchdrehen. So unausgeglichen und reizbar hatte sie sich zuletzt vor zwölf Jahren gefühlt.
Sie schaute aus dem Fenster und sah am Himmel die Kondensstreifen, welche die Flugzeuge zurückließen. Könnte sie nicht einfach in einem sitzen, das sie bis nach Timbuktu brachte? Das ging leider nicht. Oder?
Die Zweifel hielten nicht lange. Dann war sie sich sicher.
Eine Stunde später stand sie bei ihrer Großmutter im Kaminzimmer. »Ich brauche eine Auszeit. Dringend.«
Die Großmutter nickte.
»Meine Termine habe ich so gelegt, dass ich für ein verlängertes Wochenende in die Berge fahren kann.«
»Das ist eine gute Idee, Liebes. Du musst wirklich mal raus.« Timeas Großmutter winkte die Enkelin heran, streckte die Hand aus, damit Timea sie ergreifen konnte. »Wir respektieren dich, Timea, wirklich«, flüsterte die alte Dame.
»Ich weiß. Das eben war auch nicht ich.« Timea versuchte ein Lächeln. »Wenn ich zurück bin, laufe ich bestimmt wieder rund.«
~*~*~*~
D as Tal war in eine dicke Nebelsuppe gehüllt. Aber hier oben war alles klar. Es war wie in einer anderen Welt. Timea lag auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und beobachtete die vorbeiziehenden Wolken. Nichts tun. Die Seele baumeln lassen.
Wann hatte sie das zuletzt gemacht?
Eigentlich noch nie. Es gab immer etwas zu tun. Jahrelang hatte sie sich wie ein Hamster in einem Rad gefühlt. Sie war gerannt und gerannt und hatte befürchtet, dass sie nie ankommen
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