Neptuns Tochter 3
wieder«, erkannte sie. »Kein Wunder, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, Timea.« Sie musste hinaus aus dem Raum, sich in ihrem Zimmer verkriechen. Den ersten Schritt hatte sie schon gemacht.
»Mika«, hielt Timeas sanfte Stimme sie zurück. »Ich liebe dich.«
In Mikas Ohren begann es zu rauschen. Timea hatte die Worte, auf die Mika so lange gewartet hatte, bestimmt nicht ausgesprochen. Das konnte nur ein Traum sein. Sie presste die Augen fest zusammen. Bloß nicht aufwachen. Damit die Wärme in der Brust nicht verschwand. Oder das Prickeln, das sich ausbreitete. Mika merkte, dass alles in ihr strahlte. Auch das wollte sie nicht verlieren.
»Ich glaube, wir lassen die beiden allein«, hörte sie aus weiter Ferne die Stimme ihrer Mutter. Dem folgten Geräusche von sich entfernenden Schritten und dem Schließen einer Tür.
»Mika?«
Es war kein Traum. Denn ein Traum konnte einem keine Hand auf die Schulter legen. Das Gefühl – es war unbeschreiblich. In Mikas Augen sammelten sich Tränen. »War das so schwer?«, brachte sie mühsam heraus.
»Ja«, hauchte Timea. Sie zog Mika an sich heran. Ganz fest. Bis Mika das Gefühl hatte, als befände sie sich in einem Schraubstock.
»Hey«, nuschelte sie in Timeas Hals. »Ich krieg’ gleich keine Luft mehr.«
Sofort fielen die Arme herunter. Betreten schaute Timea auf den Boden. »Ich bin etwas nervös, musst du wissen«, erklärte sie.
Es war nicht zu glauben, aber Timea Illay errötete leicht. Wenn Mika sie nicht schon längst lieben würde, jetzt würde sie es auf jeden Fall. »Keine Übung mit Liebeserklärungen«, wisperte Mika.
»Überhaupt keine.«
Mika drängte Timea zu einer der Bänke, brachte sie zum Hinsetzen und nahm auf deren Schoß Platz. »Gut. Lektion Nummer eins«, flüsterte sie, »nach einer Liebeserklärung ist ausgiebiges Küssen hilfreich, um . . .«
Den Rest vergaß Mika. Sie spürte nur noch Timeas weiche Lippen auf ihren. Das sanfte Zupfen, Knabbern. Und irgendwann das zärtliche Streicheln der Schläfen, Wangen, des Nackens.
Mika stöhnte leise auf.
Timea antwortete ebenso leise.
»Lektion Nummer zwei«, krächzte Mika, »ausgiebiges Küssen sollte ausschließlich in abschließbaren Räumen mit einem großen Bett darin stattfinden.«
»Du bist der Profi«, murmelte Timea an Mikas Lippen.
»Warte«, keuchte Mika, als sich urplötzlich Timeas Zunge in ihren Mund verirrte.
»Was hast du?«, fragte Timea arglos.
Aufmerksam musterte Mika die Frau, die sie so sehr liebte. »Wir sollten von hier verschwinden. Bevor es zu spät ist«, erklärte Mika das Offensichtliche.
»Um jemanden zu zitieren, der mir sehr nahe steht«, sagte Timea, »du bist aber auch ein Blitzmerker.«
Mein Gott. Diese Stimme. Mika erschauderte. »Lass uns zu Henriette fahren«, bestimmte sie.
Timea nickte.
Ansatzlos zog Mika sie mit sich hinaus. Vorbei an schemenhaften Gestalten. Zu Timeas Auto.
Bevor sie einstiegen, blitzte kurz so etwas wie Vernunft bei Mika auf. »Deine Großmutter . . .«
». . . kann auf sich selbst aufpassen«, ergänzte Timea und setzte sich ans Steuer.
Die Autofahrt war gefüllt mit Schweigen. Mika konnte nichts anderes, als Timea anzuschauen. Der Glanz in ihren Augen. Das liebevolle Strahlen im Gesicht. Es war so echt. Die Erfüllung eines Traumes.
Der immer realer wurde, als Timeas Mund sich einen Spaltbreit öffnete. Als ihre Zunge rasch über die Lippen fuhr. Als sie leise aufseufzte.
»Woran denkst du?«, brachte Mika noch heraus, ehe die Trockenheit in ihrer Kehle keinen Laut mehr zuließ.
»An dich«, antwortete Timea.
Mika meinte, dass sie auf der Stelle vor Glück zerspringen müsste. Alles in ihr begann zu schwingen. Ihre Aufregung stieg stetig an. Die Hände begannen zu zittern. Das Herz schlug immer schneller und heftiger in der Brust. Wie lange konnte sie das noch aushalten?
Die Fahrt zu ihrer Wohnung wurde zu einem jener Zeiträume, die endlos lange dauerten; weil man das Ankommen nicht erwarten konnte. Seit Wochen hatte sich Mika überlegt, was sie tun, was sie sagen würde. Im Geiste hatte sie sich auf diesen einen Moment vorbereitet. Auch jetzt. Während unerkannte Häuserreihen an ihr vorüberzogen. Während Timea immer wieder nach ihrer Hand griff und sie drückte, als müsste sie sich vergewissern, dass Mika tatsächlich hier war.
Alles, was sich Mika vorgenommen hatte, war plötzlich verschwunden. Ihr Kopf war wie leergefegt. Als sie ihr Ziel endlich erreichte, war sie vollkommen
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