Neptuns Tochter 3
wollte Timea nur noch eine heiße Dusche und dann ins Bett. In der Hoffnung, endlich einmal wieder durchschlafen zu können. Müde genug fühlte sie sich. Das leise Lachen, das aus dem Kaminzimmer drang, hielt sie davon ab.
Seit Ewigkeiten war dort nicht mehr gelacht worden. Zuletzt war das der Fall gewesen, als Mika hier gearbeitet hatte. Der Gedanke an Mika brachte bei Timea den bereits gewohnten Stich im Herzen mit sich, den sie – auch gewohnheitsmäßig – umgehend verdrängte.
Es ist gut, dass Nagyi Spaß hat. Am letzten Abend hier, dachte Timea. Morgen würden sie umziehen. In ihr neues Heim. Eine neue Ära würde anbrechen, die den Aufbau von neuen Erinnerungen bedeutete.
Die raue und doch sanfte Frauenstimme verursachte ein leichtes Prickeln auf Timeas Haut. Jetzt war sie doch neugierig, wer die Besucherin war. Timea klopfte kurz an, öffnete die Tür und erstarrte. Vor dem Kamin, gegenüber ihrer Großmutter, saß Mika. In einer älteren Ausgabe.
»Timea, bist du das?«, fragte Adrienn Illay unnötigerweise.
»Ja«, bestätigte Timea langgezogen. Seit wann tat ihre Großmutter, als würde sie Timea nicht erkennen? Und was machte Mikas Mutter hier? Denn niemand sonst konnte die Frau sein, die ihren Blick fest auf Timea gerichtet hielt.
Jetzt verstand Timea, was Mika gemeint hatte mit: »Ich hab’ keine Ahnung, wie sie das macht, aber glaub mir, du wirst ganz klein, wenn meine Mutter dich im Visier hat.«
Timea stellte sich der Herausforderung. Das fiel ihr jedoch zunehmend schwerer, weil es Mikas Augen waren, die sie anklagend musterten. Abrupt unterbrach Timea den Blickkontakt. Bemüht langsam ging sie auf die beiden Frauen zu. »Guten Abend«, begrüßte sie Mikas Mutter höflich. »Ich bin Timea Illay.«
Mikas Mutter erhob sich von ihrem Platz und streckte ihre Hand aus. »Patrizia David«, stellte sie sich vor.
Timea ergriff die dargebotene Hand.
Das leichte Zittern goutierte Patrizia David mit einem zufriedenen Nicken.
Warum musste diese Frau Mika bloß so ähnlich sehen? Ihre Bewegungen. Ihr Lächeln. Das lebhafte Blitzen in ihren Augen. Es war, als stünde Mika hier. Timea war versucht, den Raum fluchtartig zu verlassen. Stattdessen gab sie ihrer Großmutter einen Kuss auf die Wange und setzte sich zu den Frauen.
»Stell dir vor, Timea«, sagte Adrienn Illay aufgeregt, »Patrizia ist extra hergekommen, um uns persönlich zu Mikas Polterabend einzuladen.«
Timea zuckte leicht zusammen. Der amüsierte Zug um die Lippen ihrer Großmutter. Der stechende Blick aus Patrizia Davids Augen. Timea fühlte sich wie auf dem Prüfstand. Das führte dazu, dass ihre Hände feucht wurden. Das Bedürfnis, sie an den Hosen zu trocknen, konnte Timea in letzter Sekunde unterdrücken. Angespannt schaute sie zwischen den beiden Frauen hin und her. Irgendetwas war hier im Busch. Aber was?
Die Erkenntnis führte dazu, dass sich Zorn in Timea breitmachte. Manipulation. Das passierte hier gerade. Bei ihrer Großmutter wunderte sie das nicht. Das machte die permanent. Was aber versprach sich Mikas Mutter davon? In erster Linie kam es jetzt darauf an, sich nichts anmerken zu lassen. Timea tat, was sie in solchen Situationen immer tat: Sie zog sich in die Person einer distanzierten Immobilienmaklerin zurück.
»Das ist sehr nett von Ihnen, Frau David«, bedankte sich Timea. Gott. Wieso hat sie bloß Mikas Lächeln? Die nächsten Minuten oder vielleicht sogar Stunden würden eine Qual werden. Es sei denn, Timea bekam das schmerzhafte Herzklopfen unter Kontrolle. »Hat das Brautpaar so eine Art Hochzeitstisch?« Timeas Körper begann sich zu verkrampfen. Was zur Hölle tat sie hier? »Wenn ja – wo?«, erkundigte sie sich tapfer weiter.
»Nein. Da gibt es nichts dergleichen«, erwiderte Mikas Mutter. Sie entließ Timea immer noch nicht aus ihrem Blick. »Moment. Wie hat meine Tochter sich ausgedrückt?« Patrizia David tat, als würde sie nachdenken. In Wahrheit forschte sie in Timeas Gesicht. So intensiv, dass die langsam das Gefühl bekam, als würde ein einzelner Feuerstrahl direkt auf sie gerichtet. So heiß wurde es ihr.
Timea schluckte hart. Was bei Mikas Mutter erneut ein zufriedenes Nicken hervorrief. Blinzeln musste diese Frau offenbar nicht.
»›Jeder, der mit einem Geschenk antanzt, kommt auf eine Liste. Und diese Liste werde ich bei der Hochzeit vorlesen. Anstatt einer Dankesrede. Und am Ende vorrechnen, für wie viele Jahre ein Tierheim damit Futter kaufen könnte‹«, erinnerte sich
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