Neptuns Tochter 3
Gesicht. Sie sollte umdrehen und die Küche verlassen. Schließlich war sie ihrer Großmutter keine Rechenschaft schuldig. Was nach diesem verflixten Jahr sein würde, ging einzig und allein Mika und sie selbst etwas an; war aber bisher kein Thema zwischen ihnen gewesen. Timea wollte auch nicht darüber nachdenken. Sie wollte nur Zeit mit Mika verbringen.
»Ich glaube Mika, dass sie mich liebt«, sagte Timea, ohne es zu wollen. »Nur hat sie diese Vorstellung, dass jedem Geld oder ein pompöses Dach über dem Kopf mit entsprechender finanzieller Absicherung wichtig sein muss. So wie ihr.«
»Und was ist so schlimm daran?«, fragte Adrienn Illay stirnrunzelnd.
»Im Grunde nichts. Ich lege ja auch Wert darauf. In Maßen.« Timea stieß sich von der Anrichte ab und setzte sich wieder zu ihrer Großmutter. »Nur gehen Mika und ich da von völlig unterschiedlichen Maßstäben aus. Wenn du verstehst.«
»Das denkst du, weil du zu oft auf Menschen getroffen bist, die das Maß nicht vollbekommen konnten«, blieb Adrienn Illay bei der Metapher. »Schließ aber bitte nicht automatisch von diesen Menschen auf Mika. Sie ist nicht so.«
»Wenn du meinst, Großmutter«, erwiderte Timea.
»Timea Illay. Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du mir nach dem Mund redest, nur um deine Ruhe zu haben.« Die Gräfin nahm eine Haltung an, die nach Zurechtweisung aussah. »Eines muss dir klar sein. Wenn du nicht langsam damit aufhörst, in Mika ständig das Schlechte zu suchen, wirst du sie irgendwann verlieren.«
»Dann kann ich es auch nicht ändern, Großmutter«, erwiderte Timea. Ihr Blick war auf den Inhalt ihrer Tasse fixiert. Sie beobachtete, wie sich der Tee zunächst sanft hin und her bewegte. Dann immer stärker. Wie das Meer, das bei aufkommendem Sturm auf die Küste traf. Beinah hätte sie sich die Hand verbrannt, als die heiße Flüssigkeit über den Rand schwappte. Zum Glück stellte sie die Tasse schnell genug ab, verursachte damit allerdings ein Geräusch, das ihre Großmutter leicht zusammenfahren ließ. »Entschuldige, Nagyi«, sagte Timea. »Ich muss das hier . . .«
Timea wollte aufstehen, wurde aber von ihrer Großmutter zurückgehalten. »Warte«, befahl sie streng. Unvermittelt wurde ihre Miene sanft, die Stimme weich. »Du bleibst, wer du bist, auch wenn du dir ab und zu helfen lässt. Du musst nicht immer die Einzelkämpferin sein.«
Seufzend erhob sich Timea. »Du erlaubst aber, dass ich ohne fremde Hilfe zu Bett gehe?«
»Sarkasmus steht dir nicht, Liebes«, hielt die Großmutter dagegen. »Und um auf Mika zurückzukommen«, nahm sie den Faden wieder auf, »wenn du mich fragst, hast du schlicht und ergreifend Angst vor ihren Gefühlen für dich.«
»Ach, und was bringt dich zu dieser Erkenntnis?«, fragte Timea nun wirklich sarkastisch.
Adrienn Illay stand auf und hielt sich leicht an der Stuhllehne fest. »Du redest dir ein, dass sie nicht von Dauer sind. Irgendwann wird es vorbei sein, denkst du. Also blockst du lieber vorher ab, damit du dann nicht leiden musst.«
»Ich bin eben realistisch«, verteidigte sich Timea.
»Nein, Timea«, widersprach die Großmutter. »Du bist feige. Und sonst nichts.« Mit einem bedauernden Kopfschütteln verabschiedete sie sich und ließ eine zutiefst verwirrte und nachdenkliche Timea zurück.
~*~*~*~
M ika spitzte die Ohren.
Das war doch ein Motorengeräusch. Nicht der Rasenmäher des Nachbarn oder ein Flugzeug hoch droben am Himmel.
Das Geräusch kam näher.
Das war hundertprozentig ein Motor.
Mika rannte zum Fenster. »Endlich«, flüsterte sie, als sie sah, wie das Auto ihrer Mutter vor dem Haus hielt. Fast wäre Mika über ihre Füße gestolpert, als sie lospreschte, um Patrizia David zu begrüßen und dabei schneller zu sein als ihr Vater.
»Pass auf Mika«, schimpfte ihre Mutter lachend, »du rennst mich noch um.«
Sofort blieb Mika stehen. Die eben noch ausgestreckten Arme verschränkte sie hinter dem Rücken. »Tschuldige, Mama«, nuschelte sie.
»Jetzt komm schon her«, sagte Patrizia David. Sie zog ihre Tochter in die Arme und drückte sie fest an sich. Automatisch schlossen sich Mikas Arme um ihre Mutter.
Mika genoss das sanfte Wiegen und den Halt, den ihr die Umarmung bot.
Viel zu bald schob Patrizia David ihre Tochter von sich. »Warum bist du hier? Was ist passiert?«, fragte sie.
»Was soll denn passiert sein?«, fuhr Adam David dazwischen.
»Keine Ahnung. Sagt ihr es mir«, forderte Patrizia David Mann und Tochter
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