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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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abenteuernden Regungen Neros zuerst geweckt und neuerdings mit seiner köstlichen, ewig sprudelnden Laune in Handlungen umgesetzt hatte.
    Insbesondere packte den Kaiser von Zeit zu Zeit eine mächtige Schaulust im kleinen, das reizvoll-dunkle Verlangen, sich, ohne erkannt zu sein, unter das Volk zu mischen, interessante Beobachtungen zu machen, Scenen, Begegnungen zu erleben und echte, unverkünstelte Menschlichkeit aufzusuchen.
    Vorläufig schienen die Anwandlungen des Kaisers noch äußerst harmlos, und Sophonius Tigellinus hütete sich, in dieser Beziehung die Rolle eines Verführers gar zu deutlich zu spielen. Das wäre ihm, falls etwa Seneca davon Kunde bekommen hätte, teuer zu stehen gekommen. Aber er hoffte bestimmt, die Sache werde sich mit der Zeit machen. Was jetzt noch beinahe knabenhaft und kindlich erschien, das mußte allmählich, trotz aller Warnungen Senecas, in tolle Vergnügungssucht und rasende Lebensgier ausarten, – und dann war Sophonius Tigellinus Beherrscher der Situation. Die Stoa verdrängt durch die Lehren des fröhlichen Epikur; – Senecas philosophische Weisheit als drückende Last empfunden; – er, Tigellinus, als der trostreiche Erretter aus dem Sumpfe des Ueberdrusses und der Langeweile vergöttert: – das war eine Basis, von der es nur eines einzigen Schrittes zur höchsten Gewalt bedurfte!
    Von all diesen hochfliegenden Plänen ließ der schlaue Agrigentiner natürlich nicht das Leiseste ahnen. Er gab sich den Schein, als teile er die jugendliche Sehnsucht des Kaisers – er, Tigellinus, der alles bereits genossen, der schon als Knabe in ungezügelter Freiheit geschwelgt hatte! Nero begriff nicht den Unterschied zwischen
seinem
Entwickelungsgange und dem des Agrigentiners, und glaubte ihm. Er hielt den verwöhnten, üppigen Lebemann für ebenso frisch, wie sich selbst. Er vergaß die freudlose Existenz, die er nach dem Tod seines Vaters Domitius Aënobarbus geführt hatte, bis die zweite Ehe der Agrippina mit dem damaligen Imperator Claudius ihn aus dem Dunkel emporhob. Der künstlerischen Veranlagung Neros schien es ja überdies selbstverständlich, daß ein Auge nach Bildern, ein Geist nach Stoff, eine glühende Phantasie nach Erlebnissen haschte.
    Noch stand die Sonne hoch über dem langgestreckten Janiculus-Berg, als Nero und Tigellinus, in leichte Mäntel gehüllt, das menschenerfüllte Marsfeld betraten.
    Die zehn Germanen der Leibwache, die man, um jedes Aufsehen zu meiden, vom Palatium her mit weggenommen, saßen bereits in einer der großen Tabernen unweit des Kapitols und tranken das Wohl des Kaisers und seines liebenswürdigen Adjutanten im roten Signiner.
    Der Tag war herrlich. Die faltige Kopfhülle, die Nero und Tigellinus, wie zum Schutze gegen die Sonnenstrahlen, übergestreift hatten, hinderte ihr Erkanntwerden, zumal ja in Rom, wo jeder vornehme Bürger sich stets nur mit einer größeren Gefolgschaft zeigte, keine menschliche Seele in den beiden einsamen Wandrern so hochgestellte Persönlichkeiten vermuten konnte.
    Tief Atem holend, sog der Kaiser die warme und doch so erquickende Luft ein. Ueber den riesigen Baumgängen, die hier und da bereits die Verfärbung des Herbstes zeigten, glänzte ein tiefblauer Himmel. Die sorgsam gepflegten Rasenplätze prangten in leuchtendem Grün. Die Marmorbilder, die zahllosen Prunkläden, die Kolonnaden und Denkmäler schienen von reinerem Lichte umflossen als je. Durch die Hauptallee bewegte sich eine endlose Reihe von Sänften und Fußgängern. Rechts und links auf den Reitwegen sprengten feurige Kappadozier einher, schmalhufige Renner aus der Ebene von Hispalis und schnaubende Ponies. Rings aber in den buntverschlungenen Spazierwegen, zwischen den Lorbeer und Myrtenhecken, drängte sich ein farbenreiches Gewimmel aus den verschiedenartigsten Ständen: Senatoren in purpurverbrämter Toga, von zahlreichen Klienten und Freunden umgeben; vornehme Kleinasiaten in goldgesticktem Himation; schwarzlockige Perser mit hoher Tiara und kunstvoll gestickten Beinkleidern; blühende Griechenmädchen in krokusfarbenem Diploïdion; Aethiopier und Gallier, Freie und Sklaven, Kornspenden-Empfänger und Stutzer, Pädagogen mit ihren Schützlingen, Erbsenverkäufer und Schmuckhändler, beide mit gleich gellender Stimme ihre Ware empfehlend, Wahrsager, Schiffsknechte, Soldaten der Stadtkohorte und Invaliden.
    »Fühlst du nun wieder, vielteurer Cäsar,« hub Tigellinus an, »wie vortrefflich mein Rat ist, wenn ich dir zuspreche, deinem Genius

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