Nero
gelingen möchte, deine Gleichgültigkeit zu besiegen, sie hätte längst wohl ein Ende gemacht.«
»Das wäre das beste!« murmelte Nero gedankenvoll.
»Es wäre dein Unheil!« rief Agrippina empört. »Ich gestehe dir, daß ich die Oedigkeit, die du ausströmst, wenn du mit Octavia zusammen bist, längst müde bin, müde zum Krankwerden. Ich verlange, daß du dich änderst. Und da du als Bräutigam so gar kein Talent zeigst, will ich nun Sorge tragen, daß ihr endlich ein Paar werdet. Du gewinnst ihr vielleicht Geschmack ab, wenn du sie ganz besitzest und völlig kennen gelernt hast.«
»Mutter! Ein Jahr noch war mir als Frist gegönnt . . .«
»Das ist zu lange.«
»Ich habe dein Wort.«
»Ich nehm' es zurück. Diesen Winter hindurch magst du denn meinetwegen noch Philosophie treiben und griechische Trauerspiele entwerfen. Sobald aber der Lenz in die Lande zieht . . .«
»Soll mein Frühling zu Ende sein,« seufzte der Kaiser. »Nun, wir besprechen das noch!«
Die Sänfte hielt vor der Eingangshalle der Hofburg. Ernstlich verstimmt begab sich die Kaiserin Mutter in ihre Gemächer. Nero jedoch hatte den Mißklang der letzten Minuten sofort vergessen. Gleich im Säulenhofe begrüßte ihn Seneca und lud ihn ein, bis zur Stunde des Mahles mit ihm zu lustwandeln. Unter den Baumwipfeln der palatinischen Gärten erzählte der geistsprühende Lehrer seinem wißbegierigen Schüler allerhand wundersame Geschichten von der neuen sozialreligiösen Bewegung, die, zur Zeit noch unscheinbar und verborgen, unter dem Namen des Nazarenertums von Osten her nach dem Westen vorschreite, in ihren Lehrsätzen mancherlei ungeahnte Berührungspunkte mit der Philosophie des Palatiums aufweise und wohl geeignet erscheine, von Männern wie Nero und Seneca vorurteilsfrei studiert zu werden.
Drittes Kapitel
Es war acht Tage später.
Man hatte sich im Palatium soeben von der Frühstückstafel erhoben.
Agrippina lehnte auf blumiger Ottomane unter den Bäumen des Xystus und plauderte mit einer kleinen Schar Auserwählter, an deren Spitze sich wie gewöhnlich der Staatsminister und Philosoph Lucius Annäus Seneca durch Geist und Frische hervorthat. Ihm zur Seite stand Burrus, der Oberst der Leibwache. Zum erstenmal seit seiner Genesung war er heut in der Hofburg zu Gaste und nun erlabte er sich an dem Bilde der Herrscherin wie ein Mitrasdiener am Glanz der Sonnenscheibe. Auch der jugendliche Poet Lucanus, ein Neffe des Seneca, befand sich im Kreis der Erkorenen; denn die beißenden Epigramme, die er auf diese oder jene Persönlichkeit der römischen Aristokratie zu fertigen wußte, hatten ihm bei der Kaiserin mehr genützt als selbst die eifrigen Empfehlungen seines Oheims.
Während so Agrippina auf ihre Art Hof hielt und alle diejenigen wahrhaft entzückte, denen die vollerblühte Erscheinung des stolz prangenden Weibes nicht allzu weltgebietend und mannhaft erschien, hatte sich Nero, der ernsten Mahnungen seines gelehrten Meisters uneingedenk, heimlich hinweggeschlichen.
Im Gemüte des jungen Fürsten regte sich nachgerade, halb im Widerspruch mit dem künstlich herangezogenen, weisheitstriefenden Nero, ein andrer, minder pathetischer, der – von dem lebenslustigen Adjutanten Sophonius Tigellinus beeinflußt – zuweilen die Oberhand über den ersten gewann und schüchterne Anstalten machte, das Leben und seine mannigfachen Genüsse praktisch kennen zu lernen. Sophonius Tigellinus aus Agrigentum war dem Kaiser zuerst im Circus Maximus näher getreten, als der Besitzer nämlich der auserlesensten, immer siegenden Rennpferde. Nero ließ ihn ans kaiserliche Pulvinar entbieten, beglückwünschte ihn und war von der bestechenden Liebenswürdigkeit des glänzenden Kavaliers so entzückt, daß sich bald eine wirkliche Freundschaft entwickelte. Da Tigellinus früher bereits den Rang eines überzähligen Militärtribunen bekleidet hatte, machte ihn Nero zum Offizier der prätorianischen Leibwache und erkor ihn zu seinem persönlichen Dienste. Seneca wollte zunächst zwar Einwendungen erheben, denn der dreißigjährige Tigellinus galt für den ausgesprochensten Herzenseroberer der Siebenhügelstadt und flößte auch sonst nur geringes Vertrauen ein. Nero jedoch betonte so sehr die gesellschaftlichen und künstlerischen Talente des Mannes, daß der Minister bald seinen Widerstand aufgab, und nur mit verdoppelter Sorgfalt über dem Wohl und Wehe des Imperators zu wachen beschloß.
Sophonius Tigellinus war es gewesen, der die
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