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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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ungewöhnlicher Ausdehnung. Durch eine Längsspalte von der Breite eines Tricliniums fiel reichliches Oberlicht in den prächtig ausgestatteten Raum. Matten aus Spartgras überdeckten den Boden. Teppiche, die man von weitem für syrische halten konnte, hingen von silberdurchwirkten Schnüren herab. In der Mitte eines bühnenartig erhöhten Aufbaus, der vom Zuschauerraum durch bronzene Ketten abgesperrt war, stand ein großer Altar.
    Unmittelbar dahinter öffnete sich nun langsam ein gewichtiger Vorhang aus tarentinischer Amethystwolle. In majestätischer Haltung trat der Magier aus den Falten der üppigen Draperien hervor, während draußen der Herold zum zweitenmal seine Tuba erdröhnen ließ.
    Nero hatte sich – jetzt mit bewußter Absicht – weiter und weiter von Tigellinus getrennt. Er stand ziemlich vorn bei den Bronzeketten und schaute dem stolzen Aegypter erwartungsvoll in die blitzenden Augen.
    Das erste, was der Magier zum besten gab, war sein bereits in Alexandria so hoch gepriesenes Wunder: die schwarze Eurydice. So nannte er, im Anklang an die hellenische Sage, die Tötung und Wiederbelebung einer schwarz gefiederten Taube.
    Wie er das ängstlich flatternde Tierchen scheinbar in Stücke riß, da erklang unmittelbar in der Nähe des Kaisers ein leises »Ach!«
    Er wandte sich um.
    Die da hinter ihm stand, war keine andre, als das reizende blonde Mädchen, das für Artemidorus um Gnade gefleht hatte. Jetzt erst schien sich dem seltsam bewegten Jüngling der ganze Liebreiz dieses rosigen Angesichtes zu offenbaren. Der süße, halbgeöffnete Mund, der von den Zähnchen einen verführerisch blinkenden Streif sehen ließ, atmete Unschuld, Sehnsucht und Wonne zugleich; der Ausdruck des Staunens und des Bedauerns verlieh dem holden Kindergesicht etwas Mütterlich-Schmollendes . . .
    Ach, und die Stimme!
    Nero fühlte, wie ihn der flüchtige Ausruf immer noch unter dem Bann seines unbeschreiblichen Wohllauts hielt, wie es ihn stürmisch antrieb, diese Stimme weiter plaudern zu lassen, unbekümmert um alle Zauberkünste Aegyptens und Babylons.
    Langsam, damit er nicht auffalle, trat er ein wenig zurück. Bald hatten sich andre ihm vorgedrängt. Er stand jetzt dicht an der Seite des jungen Mädchens und flüsterte bebend: »Kennst du mich noch?«
    »Ja, Herr!« versetzte sie gleicherweise.
    »So verrate mich nicht!«
    »Wie du befiehlst.«
    »Bist du allein?«
    Sie zögerte eine Weile. Dann hauchte sie schüchtern: »Ich bin allein, Herr.«
    »Wie heißt du?« fragte der Cäsar.
    »Mein Name ist Acte.«
    »Leben dir noch die Eltern? – Und welchem Stande gehörst du an?«
    »Meine Eltern sind tot. Der Vater stammte aus Mediolanum, die Mutter aus Griechenland. Beide waren von unfreier Geburt.«
    »Unmöglich! Du eine Sklavin?«
    »Eine Freigelassene des Nicodemus . . .«
    »Des Mannes, der zuweilen mit Seneca Philosophie treibt . . .?«
    »Des nämlichen.«
    Ein brausender Lärm ging jetzt durch die Reihen der Zuschauer.
    »Herrlich! Herrlich!« jauchzte die begeisterte Menge. »Es lebe Cyrus, der Götterliebling!«
    Das vielbewunderte Meisterstück »Eurydice« war in Scene gegangen, ohne daß Nero das Geringste davon bemerkt hätte. Er stand regungslos. In starrer Bewunderung blickte er dem jungen Mädchen ins Antlitz und prüfte wie traumverloren die berückende Lieblichkeit ihrer Züge. Wer unter allen senatorischen Damen konnte sich mit dieser leuchtenden Holdseligkeit messen? Keine, selbst nicht Poppäa Sabina, die jugendrosige Gattin des Otho, obgleich ganz Rom von der Herrlichkeit dieser Frauenblüte berauscht war! Und nun vollends Octavia, die zukünftige Kaiserin! Ja, Octavia war, vom Standpunkt eines hellenischen Bildners betrachtet, vielleicht untadelhafter; sie besaß eine fürstliche Gemessenheit der Bewegungen: aber wie kalt, wie öde, wie leblos berührte das alles im Vergleich mit der knospenden, duftigen Anmut dieser Niedriggeborenen!
    »Unmöglich!« wiederholte der Cäsar. »
Was
behauptet Acte zu sein?«
    »Eine Freigelassene.«
    »Eine Göttin,« murmelte Nero, ihr leidenschaftlich die Hand pressend. »Kind, du hast keine Ahnung, wie unsterblich schön du bist!«
    »Herr, du verwirrst mich . . . Siehe, ich weiß ja, die Großen der Erde lieben es, mit den Armen und Schutzlosen ihre Scherze zu treiben. Aber von dir, dem edlen Befreier des Artemidorus, kann und darf ich nicht denken, daß du die Absicht habest, meiner zu spotten . . .«
    »Ich deiner spotten? Auf den Händen

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