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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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kreisenden Bewegungen auf und ab, als versuche sie vergeblich einen zu großen Bissen hinunterzuschlingen.
    Es war aber nicht dieses merkwürdige Verhalten allein, das Yonathan auffiel. Er glaubte jetzt entdeckt zu haben, was sich an Zirah in der letzten Zeit verändert hatte: Haarfeine schwarze Linien zeichneten sich auf dem vormals makellos orangefarbenen Flügeln ab, Strähnen so schwarz wie die ganze unsympathische Kreatur.
    Und jetzt diese Meldung vom Ausguck. Gab es einen Zusammenhang zwischen der äußerlichen Veränderung Zirahs und dem Schiff da draußen? Etwas flüsterte Yonathan zu, dass sich der Vogel über die Ankunft des anderen Schiffes freute.
    »Yo, klettere zum Krähennest hinauf und berichte mir, was du siehst«, rief Kaldek seinem Schützling zu.
    Yonathan sah, dass Yomi trotz seiner Schlaksigkeit mit sicheren, geübten Handgriffen den Großmast erklomm. Der Mann, der sich bereits im Ausguck befand, deutete nach Nordwesten. Nachdem Yomi für kurze Zeit in diese Richtung gespäht hatte, stieg er wieder herunter. Seine Bewegungen waren jetzt hastig, als treibe ihn etwas. Auf halbem Wege glitt sein Fuß plötzlich vom Tau der Strickleiter ab und er fiel.
    Yonathan stockte der Atem. Doch Yomi hatte sich schon wieder gefangen. Nach einem Fall von etwa fünf Fuß hatte er ein Tau zu fassen bekommen und hangelte sich nun mit sicherer Hand auf das Deck hinab.
    Yonathan eilte zu Kapitän Kaldek, der Yomi erleichtert begrüßte: »Da hast du uns aber einen gehörigen Schrecken eingejagt, Yo. Mach so was nie wieder, hörst du!«
    Doch Yomi ging nicht auf Kaldeks Ermahnung ein. Erregt stotterte er: »Es ist unheimlich… das Schiff… ein pechschwarzes Vollschiff, mit fünf Masten… ich habe bisher nur ein einziges Mal ein solches Schiff gesehen, vor zehn Jahren, bei Darom-Maos.«
    »Bei der Südfeste? Du meinst, das schwarze Schiff aus Temánah, das uns damals beinahe erwischt hat?«, fragte Kaldek ungläubig.
    Yomi nickte hastig.
    Kaldek eilte nach steuerbord an die Reling, Yonathan und Yomi folgten ihm. Die Segel des von Yomi beschriebenen Schiffes waren nun auch schon vom Deck aus zu erkennen, zwar noch klein, doch für Yonathan deshalb nicht weniger bedrohlich. Ein Schiff aus Temánah, der Südgegend, dem dunklen Land, das von Bar-Hazzat, dem Hohepriester Melech-Arez’, regiert wurde. Hatte Benel nicht Yonathan gewarnt, dass Sethur, der Heeroberste Bar-Hazzats, mit einer Flotte von drei Schiffen auf dem Weg nach Kitvar unterwegs sei?
    »Da sind noch zwei weitere Schiffe steuerbord voraus. Sie sind kleiner als das erste«, ertönte die Stimme des Mannes vom Ausguck.
    »Sethur«, brach es aus Yonathan heraus, wie zur Bestätigung für sich selbst. Und dann wiederholte er es laut vernehmlich: »Es ist Sethur, der Heeroberste Bar-Hazzats.«
    Kaldek blickte ihn misstrauisch an, tiefe Furchen zeigten sich auf seiner Stirn. »Woher weißt du denn etwas von diesen Schiffen? Hast du etwa was mit diesem Lumpen zu tun?« In Kaldeks Stimme schwang ein bedrohlicher Unterton.
    »Nein, nein«, versicherte Yonathan eilig, »aber ich habe davon gehört, dass Sethur sich in diesen Gewässern herumtreibt. Wir sollten schleunigst das Weite suchen.«
    »Das brauchst du mir nicht zu erklären«, entgegnete Kaldek kaum freundlicher als zuvor. »Es ist schon höchst seltsam, dass die Schiffe Temánahs in letzter Zeit so dreist werden. Normalerweise sorgen unsere Verbündeten, die Bolemiden, dafür, dass die nördlichen Meere von diesen verfluchten Seglern aus dem Süden frei bleiben. Aber ich habe den komischen Quallenwesen von Bolem ohnehin nie über den Weg getraut. Wer weiß, vielleicht hat sich ihre Königin jetzt mit diesen dunklen Gesellen aus Temánah verbündet. Ich möchte zu gern wissen, was dieser Bastard aus dem Südreich so weit nördlich zu suchen hat«, brummte Kaldek. Dabei blickte er Yonathan an, als wüsste er, dass die Antwort auf seine Fragen direkt vor seiner Nase stand.
    Yonathan hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst, um Kaldeks bohrendem Blick zu entkommen.
    Dieser Wunsch schien sich zu erfüllen, denn der Kapitän wandte sich an Yomi. »Unsere Segel sind bei Tage nicht so gut zu erkennen wie das schwarze Tuch von Sethurs Flotte. Vielleicht haben sie uns noch nicht entdeckt.«
    »Wir haben die dunklen Klippen des Ewigen Wehrs im Rücken. Davor sehen sie uns bestimmt«, mischte sich Yonathan ein.
    Kaldek fuhr herum. Verärgert knarrte er: »An Deck ist jetzt kein Platz für Landratten und kleine

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