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Nessie und die Geister der MacLachlan

Nessie und die Geister der MacLachlan

Titel: Nessie und die Geister der MacLachlan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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allem?
    Ja, merkst du denn nicht, daß nicht der rechthaberisch ist, der recht hat, sondern der, der unrecht hat und dennoch behauptet, recht zu haben?“
    „Wer sagt dir denn, daß du recht hast und nicht ich? Warum soll ausgerechnet das, was ich sage, nicht stimmen, schließlich bin ich ein paar Jährchen älter und habe ein bißchen mehr von der Welt gesehen als du.“
    „Jetzt kommt sie noch mit ihrem Alter! Nur, weil du knappe zwei Jahre älter bist, soll die Sonne dort auf- oder untergehen, wo es dein Schwachsinn haben will? Ich will dir was sagen, du häßliche Kröte, du Schlange du, wenn du noch einmal behauptest, daß die Sonne woanders aufgeht, als sie tatsächlich aufgeht, und auch woanders untergeht, als sie tatsächlich untergeht, dann komme ich mit der Wahrheit heraus. Dann sage ich nicht nur, daß du eine Kröte und eine Schlange bist, dann komme ich mit der ganzen Wahrheit heraus, meine Liebe, dann soll alle Welt erfahren, wer du in Wirklichkeit bist, jawohl, alle sollen es hören, daß du...“
    „Bitte, bitte, Sarah, sag es nicht. Nein, besinn dich doch, Sarah. Wir sind doch Schwestern!“
    „Ich bin nicht deine Schwester, ab heute nicht mehr, du Monster, du heißt nicht Nessie, sondern Jessie. Hoppla“, rief Tante Sarah, „umgekehrt. Du heißt nicht Jessie, sondern Nessie!“
    Da heulte Tante Jessie los. Sie lief zum Küchentisch, warf sich auf einen Stuhl und schluchzte herzzereißend.
    „Um Gottes willen!“ rief Sarah. „Jessielein, du darfst nicht weinen. Bitte kein Wasser jetzt, denk doch an deine Allergie!“
    „Huhuhuhuh“, heulte indes Jessie weiter, und plötzlich ließ Cedric den Recorder fallen, denn was er hörte, hatte er doch schon vernommen, aus dem Badezimmer und auf dem Band von diesem Mann mit dem Mikrofon an der Angelleine, den sie den Lauscher nannten.
    „Geht, Kinder, bitte, bitte geht jetzt“, flehte Tante Sarah. „Ich muß mit ihr allein sein. Bitte geht und löscht das Band, wenn ihr könnt. Ich glaube, heute bin ich ziemlich heftig geworden, viel heftiger als sonst, aber das werde ich immer, wenn mir ihre Behauptung einfällt, daß die Sonne im Osten untergeht. Geht bitte jetzt hinauf!“ Sie schloß die Tür.
    Tante Jessie heulte noch immer. Ja, das war der richtige Ausdruck dafür. Sie weinte nicht, sie schluchzte nicht, sie heulte. „Huuuuuuuuhs huuuuuuuu“, klang es, und was fehlte, war nur das Platschen und das Brausen und Plantschen von Wasser. Es war sozusagen ein Trockenton.
    Die Kinder standen betroffen im Kaminzimmer. Und sie merkten lange nicht, daß sie nicht nur zu zweit dastanden. Plötzlich fragte eine Mädchenstimme: „Was ist denn jetzt hier los?“
    Goody schrak zusammen, als hätte sie ein nasser Blitz getroffen, aber Cedric sagte nur: „Ach, die große Sarah! Hör zu, sie begannen über Kinderstunde...“
    „Nein, über Kinderstube“, verbesserte ihn Goody. „Sie sprachen über ihre Kinderstube, und dann ging’s darum, wo die Sonne aufgeht beziehungsweise untergeht. Und dann vergaß Tante Sarah ein wenig die gute Kinderstube, nannte ihre Schwester eine Kröte, eine Schlange und ein Monster, und brüllte, daß sie nicht Jessie, sondern Nessie heiße. Das Geheule ist die Folge.“
    „Kommt das oft vor?“ fragte Cedric.
    „Nur alle paar Jahre in dieser Heftigkeit“, sagte die große Sarah, die wieder die kühle frische Luft vom Hochmoor hereingebracht hatte. „Entsetzlich, daß zwei erwachsene alte Menschen so miteinander streiten können. Und daß Sarah es auch sagen mußte. Sie wußte doch, wie Jessie das kränkt!“
    „Ist sie am Ende tatsächlich das Monster?“ fragte Goody keck und sah unwillkürlich hinauf zum Bild über dem Kamin, das jetzt nur das Hochmoor und im Hintergrund ein paar Moorhühner zeigte. Aber im selben Augenblick war Sarah neben ihnen verschwunden und wieder auf dem Bild, mit windzerzaustem Haar und flatterndem Rock.
    „Wie blöd, daß ich hingesehen habe“, ärgerte sich Goody. „Als ich auf das Bild sah, war sie wieder drin.“
    In der Küche heulte Tante Jessie noch immer.
    „War der Kasten noch angestellt, als wir mit Sarah sprachen?“
    „Mit der aus dem Bild?“
    „Natürlich mit der.“
    „Ja, da hatte ich ihn noch an.“
    „Dann komm hinauf, wir hören sie uns noch einmal an.“ Oben saß noch immer Allan Campbell MacLachlan auf der Kiste. Sie hatten ihn ganz vergessen.
    „Hallo“, sagte er, und sie wunderten sich über seine sanfte, freundliche Stimme, die zur Hochländeruniform nicht

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