Nessie und die Geister der MacLachlan
im geringsten paßte. „Hat es wieder Trouble gegeben?“
„Und wie“, sagte Goody.
„Ja, ja, sie hatten immer Krach. Damals. Ich hab mit ihnen nie gestritten.“
Goody überlegte einen Augenblick. Zu Jessie wie zu Sarah sagte sie manchmal Tante und manchmal nicht, aber die lebten und waren aus Fleisch und Blut. Allan Campbell hingegen war, obwohl man ihm dies im Augenblick nicht so recht anmerkte, mehr ein Geist, also sagte sie doch lieber Onkel zu ihm. „Hör mal, Onkel Allan, wie ist das nun mit Tante Jessie? Sarah hat behauptet, sie sei das Nessie. Stimmt das?“
Zunächst wollte Allan Campbell lachen, das schien ihm wie ein guter Witz zu klingen, aber dann mußte er husten und konnte nicht mehr aufhören, obwohl er eigentlich etwas sagen wollte. Und je mehr er hustete, um so blasser wurde er, um so durchsichtiger. Er hustete sich richtig weg. Schließlich war die Kiste, auf der er gesessen hatte, leer.
„Hast du ihn auch drauf?“ fragte Goody nur.
„Was denkst du denn?“
„Dann laß uns alles anhören, was wir auf dem Band haben.“
Nachdem sie das Band abgespielt hatten, waren sie sehr verblüfft. Sie konnten zwar den Streit zwischen Jessie und Sarah auf dem Band hören und auch das Heulen von Jessie. Nach dem letzten „Geht bitte hinauf“ von Sarah aber begann das Band zu krächzen und zu krachen, ununterbrochen, bis sie zur unbespielten Stelle kamen.
„Es hört sich an wie nicht entstörter UKW-Empfang“, stellte Cedric fachmännisch fest.
„Das wäre auch fast zu toll gewesen, wenn wir plötzlich die große Sarah oder den armen Allan mit auf dem Band gehabt hätten.“
„Man hat aber schon Gespenster auf Band aufgenommen.
Das soll tatsächlich gelungen sein“, meinte Cedric. „Ob ich schuld war, weil ich den Recorder fallen ließ?“
„Was ist denn das?“ fragte Goody und wurde bleich. „Draußen hustet jemand.“
Sie öffneten die Tür und guckten hinaus. Wieder erklang das Husten, aber niemand war zu sehen.
Goody schloß die Tür. „Armer, armer Allan Campbell“, sagte sie.
Das Bad im Loch
Draußen war noch Dämmerung, und das Kaninchen war eben weggehüpft, da stand Cedric auf, guckte auf den Flur hinaus und schlich zu Goodys Tür. Er trommelte mit den Fingernägeln leicht ans Holz, bis sie sich meldete.
„Wer ist draußen?“ fragte sie.
„Psst, ich bin’s. Cedric.“
Sie öffnete die Tür, und er schlüpfte in ihr Zimmer. Goody rannte zum Bett, hüpfte hinein und deckte sich sofort zu. „Ach, ist das schön warm“, stellte sie fest. „Was ist denn los, warum kommst du zu mir?“
„Das Kaninchen ist eben fort. Ich hab das Gefühl, es wird von Mal zu Mal größer.“
„Dann kannst du’s ja bald schlachten.“
„Goody!“ schimpfte er. Dann setzte er sich auf den Rand ihres Bettes und sagte: „Wenn ich nur wüßte, was das Kaninchen zu bedeuten hat. Und warum kennen es die anderen nicht? Von allem reden sie. Nur nicht vom Kaninchen.“ Goody dachte angestrengt nach, dann fragte sie: „Hast du schon versucht, mit ihm zu reden?“
„Jetzt hat es dich aber“, stellte er fest und tippte sich an die Stirn. „Warum kommt es eigentlich ausgerechnet zu mir? Es könnte sich ja auch einmal bei dir melden.“
„Vielleicht ist es eine verzauberte Prinzessin. Küsse es doch mal!“
„Sei nicht albern“, schimpfte er. Und weil sie nicht aufhörte, ihm dumme Ratschläge zu erteilen, stand er auf und ging wieder in sein Zimmer zurück. Dort zog ihn eine unerklärliche Kraft ans Fenster. Draußen war noch alles grau. Über dem Loch hing Nacht und leichter Nebel, ebenso in den Bergfalten am anderen Ufer. Soweit er die Oberfläche des Lochs schon erkennen konnte, war das Wasser spiegelglatt. Also gab’s keinen Windhauch draußen.
Da knackste es unterhalb des Hauses. Es hörte sich an, als wäre jemand auf einen dürren Zweig getreten. Das Geräusch wiederholte sich, und dann sah er sie: Tante Jessie stieg den Hang herauf. Sie mußte direkt vom Loch kommen, und sie ging nicht den üblichen Weg auf der grasbewachsenen Zufahrt, sondern den kürzeren quer über die Wiese. Schon wollte er sie rufen, dann aber war er froh, still gewesen zu sein. Es hätte ihn nicht so sehr überrascht, Tante Jessie um diese Zeit draußen zu sehen, was ihn wirklich überraschte, war der Umstand, daß sie im Bademantel und mit einem riesigen Badetuch daherkam. Sie schien nicht im geringsten unter einer Allergie zu leiden, im Gegenteil. Jessie pfiff ganz leise vor sich hin und war
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