Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
herüberkam, um gemeinsam mit der Freundin eine Liste für die Sammlung aufzusetzen, teilte ihr mit, daß zu der Verpflegungsabteilung überhaupt nur die großen Schülerinnen der ersten und zweiten Klasse zugelassen wurden.
    So fand sich auch Annemarie Braun mit mehreren hundert anderen Schülerinnen am nächsten Tage im Schulhof zur Liebesarbeit ein.
    Die Mädchen wurden in zwanzig Gruppen geteilt, die abwechselnd an verschiedenen Tagen der Woche zusammenkamen. Mehrere Lehrer und Lehrerinnen stellten ihre Wohnung für die Strick- und Nähnachmittage zur Verfügung.
    Wie froh war Annemarie, daß sie sich daran beteiligt hatte, denn die Stricktage gehörten bald zu den schönsten in der Woche.
    Die kecken Berliner Spatzen, die den Garten des Herrn Direktors als ihr Privateigenrum betrachteten, konnten sich jetzt nicht genug verwundern. Da tauchten täglich in den sonnigen Augusttagen zwischen Bäumen und Buschwerk blonde und dunkle Mädchenköpfe auf, wohl an hundert Stück, alle eifrig über die Arbeit geneigt.
    Was wurde dort nicht alles von den fleißigen Mädchenhänden fabriziert. Vor allem graue Strümpfe, denn »barfuß können unsere Soldaten nicht bis Paris und Petersburg marschieren!« scherzte Fräulein Hering. Mit solchen Worten spornte sie die Kinder immer wieder zu neuem Eifer an.
    Eigentlich war das aber gar nicht nötig. Denn jedes hatte den Ehrgeiz, möglichst viel für die Vaterlandsverteidiger zu schaffen. Ein edler Wettbewerb begann zwischen den Schülerinnen, wer wohl am schnellsten mit seiner Arbeit fertig wurde. Eine schielte auf den Strumpf der anderen, ob die auch bloß noch nicht weiter war mit Abnehmen, als sie selbst. Die Stricknadeln klapperten unaufhörlich, und die Mundwerke der kleinen Fräulein klapperten fast noch unaufhörlicher - auch hierbei gab es einen edlen Wettstreit.
    Es war merkwürdig, mit welcher Freude Doktors Nesthäkchen, das dem Stricken von jeher nicht sehr hold gewesen, hier an ihrem langen Strumpf schaffte. Es schaffte wirklich - Großmama traute manchmal ihren Augen nicht, wie Annemaries Strumpf an dem Stricknachmittage wuchs. Ja, mit den lustigen Altersgenossinnen um die Wette arbeiten, das war ein anderes Ding, als zu Hause allein. Da gab sich Annemarie grenzenlose Mühe, um nicht zurückzubleiben, ob ihr auch oft in den heißen Tagen der Schweiß von der Stirn perlte. Fräulein Hering sollte sie doch loben, und Großmamas Bewunderung des Abends, wenn sie heimkam, tat auch recht wohl. Auch zu Hause ließ Nesthäkchens Fleiß nicht nach, Großmama mußte jetzt sogar noch dagegen steuern, damit das Kind auch zum Spazierengehen kam. Margot, Marianne, Ilse und Marlene sollten durchaus nicht früher mit ihrem Strumpf fertig werden, als sie selbst. Die fünf Freundinnen hatten ihren Platz stets unter dem großen Nußbaum und piepsten da durcheinander wie die Spatzen droben. Jedoch noch etwas viel Schöneres gab es, als das Schwatzen bei der Arbeit. Das war das gemeinsame Singen. Die sangesfrohen Kehlen der Kinder wurden nicht müde. Vaterlands- und Soldatenlieder schallten jetzt zu allen Stunden durch den Garten des Herrn Direktors. Davor mußten die unmusikalischen Sperlinge die Schnäbel halten.
    Oben aber über die unmittelbar an den Garten grenzende Eisenbahnbrücke rollte Militärzug auf Militärzug nach Ost und West mit begeistert herunterwinkenden feldgrauen Soldaten. Immer aufs neue stürmisch begrüßt von der fleißigen Mädchenschar.
    Was war das jetzt für ein Leben in dem sonst so stillen Garten des Herrn Direktors. Und flatterte gar noch ein Extrablatt mit einer Siegesnachricht herein, dann war des Jubelns kein Ende.
    Unvergeßliche Tage, diese herrlichen Augusttage des ersten siegreichen Vordringens der deutschen Truppen, der großen opferfreudigen Begeisterung der Daheimgebliebenen! Jedem der jungen Kinder, die da für das Vaterland schafften, gruben sie sich unauslöschlich für das ganze Leben in die Seele.
    Selbst Klaus, der es geradezu als eine Bosheit des Schicksals empfand, daß sein Gymnasium nicht auch zu Lazarettzwecken ausersehen worden und die Ferien dadurch verlängert wurden, söhnte sich allmählich mit seinem Geschick aus. Denn viel wurde in diesen Augusttagen in keiner Schule Deutschlands gelernt. Wenigstens keine Bücherweisheit. Aber anderes lehrten die Lehrer ihre jungen Schüler. Begeisterte Liebe zum Vaterlande, grenzenlose Opferfreudigkeit für die draußen Kämpfenden. Den erhebenden Stolz, ein deutscher Knabe oder ein deutsches

Weitere Kostenlose Bücher