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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Mädchen zu sein, und die gleichzeitig daraus erwachsende Pflicht, trotz der Jugend seinen Platz in dieser schweren Zeit voll auszufüllen.
    Was war es da bloß, daß Doktors Nesthäkchen, eine der begeistertsten in diesen Augusttagen, oft des Abends ihr Kopfkissen vor dem Einschlafen mit Tränen netzte? War doch am Tage die lustigste und ausgelassenste von all ihren Freundinnen, sang und sprang durchs Haus wie ein Wiesel, so daß kein Mensch merkte, daß irgend etwas die Kinderseele bedrückte.
    Nein, keiner ahnte etwas von Nesthäkchens Kummer. Nur der Mond, Annemaries alter, guter Freund, der Jahr für Jahr allabendlich ihr im Bett durch die Kinderstubenfenster liebkosend mit seinen Silberfingern die Wangen streichelte, wußte Bescheid.
    Nesthäkchen bangte sich nach dem Gutenachtkuß ihrer Mutti!
    In den ersten Tagen nach ihrem Heimkommen hatte es Annemarie gar nicht so arg empfunden, daß die Mutter nicht da war. Die Kriegsbegeisterung, von der alle gepackt wurden, war stärker als jedes sonstige Gesicht, ließ kaum ein anderes daneben auskommen. Da war das Wiedersehen mit Vater und zugleich der baldige Abschied von ihm. Die Brüder waren Annemarie wieder neu, und vor allem war Großmama zu ihnen gezogen, an der die Kleine voll Liebe hing. Und Mutti mußte ja jeden Tag wiederkommen, sie hatte sich gewiß nur verspätet, so hoffte ihr Nesthäkchen von Tag zu Tag. Aber Tag für Tag verging, und keine Mutti kam zurück.
    Annemarie, die das Jahr über im Kinderheim kaum Sehnsucht nach Hause empfunden, begann sich jetzt daheim nach der Mutter zu bangen. Am Tage nicht, da stürmte zu viel Neues auf sie ein. Da wurden ihre Gedanken anderweitig in Anspruch genommen. Nur des Abends fehlte ihr die Mutti. Zwar kam Großmama getreulich an ihr Bett und küßte das Enkelchen zärtlich. Aber die sagten »Gute Nacht, mein Liebling«, oder auch »mein Herzchen«. Mutti aber pflegte ebenso wie Vater »meine Lotte« zu ihr zu sagen. Wie sehnte sich Nesthäkchen nach diesen beiden Worten, dem Kosenamen aus ihrer Kleinkinderzeit. Denn wenn Vater auch in seinen Karten an die Großmama »seine Lotte« grüßen ließ, das war doch ganz anders, als wenn Mutti sie dabei in ihre Arme nahm.
    Mutti gab gar keine Nachricht. Nicht eine Zeile kam von ihr, so oft Annemarie auch schon an sie geschrieben hatte. Ja, hatte die Mutter sie in England bei den Feinden denn ganz vergessen?
    Zuerst hatte Annemarie die Großmama gefragt und bestürmt, warum Mutti denn gar nichts mehr von ihnen wissen wollte. Aber als sie merkte, daß Großmama jedesmal dadurch traurig wurde, ja, daß sie sogar Tränen in den Augen hatte, fragte Nesthäkchen nicht mehr. Denn es wollte die gute Großmama nicht betrüben.
    Dafür wandte sich Annemarie aber um so angelegentlicher an die Brüder. Hans, der Große, beruhigte das kleine Mädchen, vielleicht blieben alle Briefe an der Grenze liegen und wurden überhaupt nicht in das feindliche Land hineingelassen. Das war eine sehr verständige Auskunft des Obersekundaners.
    Klaus aber, in dessen Kopf der Krieg sämtliche Räubergeschichten, die er jemals gelesen, wieder aufgewirbelt hatte, wirkte weniger beruhigend auf das Schwesterchen.
    »Paß auf, Annemie, Mutti ist bestimmt von unsern Feinden gefangen genommen worden. Am Ende haben die Engländer sie in ein finsteres Schloßverlies gesperrt, wo sie nicht mal Wasser und Brot kriegt. Aber wenn ich groß bin, Annemarie, dann reise ich nach England und besuche Mutti. Dann wirst du sie gar nicht mehr wiedererkennen, denn sie hat bestimmt weiße Haare vor Gram bekommen.«
    Nesthäkchen machte entsetzte Augen. Hans aber lachte. »Schwindele doch der Kleinen nichts vor, Junge! Mutter ist sicherlich bei Onkel und Tante auf ihrem Landsitz und läßt sich das englische Roastbeef da schmecken.«
    »Und wenn sie nicht mal Wasser und Brot in ihrem Felsverlies bekäme, dann wäre sie ja längst verhungert, bis du groß bist, Klaus«, fiel Annemarie ein.
    Aber die Schauermär von Klaus hatte doch Eindruck auf die Kleine gemacht. Beim Abendbrot legte sie plötzlich die Gabel hin. Der Happen würgte sie im Halse. Trotzdem es ihr Leibgericht gab, Kartoffelpuffer mit Kompott.
    »Herzchen, fehlt dir was?« forschte Großmama sofort ängstlich.
    »Nee - nee - ich kann bloß nicht mehr essen«, Nesthäkchen begann plötzlich grundlos zu weinen.
    Das war bei dem lustigen Ding fast ebenso merkwürdig wie die Appetitlosigkeit. Mit Recht machte sich Großmama Gedanken. Sie forschte und drang in das

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