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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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geglaubt hatte, die ganze Nacht kein Auge schließen zu können, schlief sanft und süß dem bösen Examenstage entgegen.
    O wäre sie doch nie aufgewacht! Was ist das für ein Gefühl, wenn man froh und ausgeschlafen des Morgens erwacht und hat solch eine dunkle Empfindung: Da war doch irgendetwas Schlimmes, Beklemmendes ... was war es nur? Und dann plötzlich ein jäher Schreck wie ein Peitschenhieb ... Examenstag! Der gefürchtete Tag ist da! Man kann sich nicht vor ihm verkriechen. Er ist da und jagt einen unbarmherzig hinaus, allen Schrecknissen und Nöten entgegen. Könnte man denn gar nichts tun, um seinen Klauen zu entgehen? O ja, man könnte sich krank melden. Eigentlich war sie's auch wirklich. Ganz übel war ihr zumute. Wenn man krank war, brauchte man nicht die Aula zu betreten, die einem in ihrer ungewohnten Leere entgegengähnte wie ein ungeheurer Rachen, bereit, die armen Opfer zu verschlingen. Da brauchte man sich nicht von den Augen des Schulrats durchbohren und von den Blicken des Lehrerkollegiums aufspießen zu lassen. Man blieb ruhig zu Hause in seinem Bett, trank Pfefferminztee und ...« wird dann nachträglich nur um so doller gezwiebelt. Nee, is nich!« Damit beendete Nesthäkchen seine Überlegungen und sprang aus dem Bett.
    Das neue Examenskleid ... in kindlicher Eitelkeit hatte sie sich daran gefreut. Jetzt empfand sie ein Grauen davor. Wie feierlich sie damit ausschaute. Als ob sie darin zu ihrer eigenen Beerdigung gehen sollte. Schulbücher brauchte sie heute nicht. Aber forträumen mußte sie alle, sonst schöpfte Mutti Verdacht. Ehe Mutti aufgestanden war, mußte sie schon über alle Berge sein.
    Klaus, sonst gerade kein Frühaufsteher, hatte der »Examensbammel« der Schwester aus den Federn getrieben. »Na, die Hinrichtungsuniform angelegt, Annemie«, versuchte er sie aufzuheitern.
    »Ach, Klaus, anders kann dem armen Sünder in seinem letzten Stündlein auch nicht zumute sein.« Nesthäkchen sah mit einem Gesicht drein, als ob es wirklich zur Richtstatt gehen sollte.
    »Laß dich bloß nicht einschüchtern, Lotte. Dreist antworten, ob du's weißt oder nicht. Meistens hören sie gar nicht hin.«
    »Na ... na ...« erlaubte sich Annemarie die pädagogischen Lehren des Studenten anzuzweifeln. »Hans, streiche mir kein Brot ... ich kriege keinen Bissen runter.«
    »Werde bloß kein hysterisches Frauenzimmer, Annemie. Da ... hingesetzt und gefrühstückt.« Hans drückte sie auf einen Stuhl und stand daneben Wache, ob sie auch ihren Kakao trank und ihr Brot aß.
    Wirklich ... es ging. Annemarie hätte es nicht für möglich gehalten. Nun mußte sie aber schleunigst fort, sollte die Mutti sie nicht in dem Examenskleid noch erwischen.
    »Mach deine Sache gut, Annemie. Je ruhiger du bist, um so klarer wirst du alle Fragen beantworten können. Keine Angst, du hast was gelernt.«
    Ja, Hans hatte gut reden.
    Vater erschien am Frühstückstisch. Einen prüfenden Blick warf er auf die Jammermiene seines Nesthäkchens ... dann wußte er Bescheid. Aber er tat seiner Lotte den Gefallen, nichts zu merken. Nur die blasse Wange klopfte er ihr aufmunternd.
    »Ich wünsch' dir einen Beinbruch!« Klaus flüsterte es ihr liebevoll im Korridor zu.
    »Pfui-Klaus!«
    »Das ist der beste Segensspruch fürs Examen. Da kannst du jeden Studenten fragen. Heute abend nehme ich dich mit in die Kneipe.«
    »Erst muß ich heil aus dem Höllenrachen wieder raus sein.«
    Hanne steckte den Kopf aus der Küche. »Pst ... Annemiechen, da, extrajute Stullen. Mir macht keener nich dumm, ich hab's jemerkt, daß se dir heute abmurksen tun. Aber bange machen jilt nich. Du hast so ville jelernt wie alle Professorens zusammen. Und, wenn se dir trotzdem rinplumpsen lassen, denn wer' ick ihn' schon die Wahrheit jeijen.«
    Jetzt mußte Annemie aber wirklich lachen; die treue Hanne in ihrer Berliner Unverfrorenheit wollte den Professoren die Wahrheit geigen. Puck gab ihr das Geleit bis auf die Treppe hinaus.
    »Na ... denn rin ins Verjnüjen!« Nesthäkchen schob sich die Treppe hinab.
    Unten vor der Haustür standen Vera und Margot, die beiden Getreuen. »Heute wirr wollen lassen gehen dirr nicht allein zu Schule« ... »Wir wollen dir das Geleit geben.«
    »Ihr meint wohl die letzte Ehre.« Annemarie drückte den Freundinnen dankbar die Hand. »Kinder, was habt ihr's gut, daß ihr jetzt nicht aufs Schafott müßt.«
    Helle Frühlingssonne lachte vom Himmel. Graues Regenwetter hätte Annemaries Seelenzustand mehr entsprochen. Die

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