Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit
getrommelt und gepfiffen ... im Schriftlichen war keine gerasselt.
»Zum mündlichen Examen werden zugelassen ...« sieben Namen ... Annemaries und Marlenes waren nicht darunter.
Marlene schoß es bereits heiß in die Augen. Annemarie krampfte die Finger ineinander. Den Eulenaugen wollte sie kein Schauspiel geben.
»Vom mündlichen Examen werden auf Grund eines mit Eins bestandenen schriftlichen Examens dispensiert: Fräulein Annemarie Braun ...«
»Hurra!« Wie der Jubellaut einer Lerche stieg es durch die nüchterne Aula. Was fragte die impulsive Annemarie nach dem Schulrat, nach den Eulenaugen. Sie war vom Mündlichen befreit ... hurra!
»Fräulein Elli Jordan und Fräulein Marlene Ulrich«, vervollständigte der Direktor lachend seine unterbrochene Rede.
»Marlenchen ...« ungeniert, in seligem Glückstaumel, schlang Annemarie den Arm um die Freundin. Das war auch gut, denn Marlene schwankte. Die jähe Freude nach den ausgestandenen Ängsten übermannte das zarte Nervensystem des jungen Mädchens. Hilfreiche Hände reichten ihr ein Glas Wasser.
»Meine Damen, Sie können die Aula verlassen ... ich spreche Ihnen im Namen des Lehrerkollegiums die besten Glückwünsche aus«, wandte sich der Direktor noch einmal an die drei Glücklichen.
Verbeugungen ... Fräulein Hering drückte der vorübergehenden Annemarie glückwünschend die Hand ... die Eulenaugen Fräulein Neuberts schauten merkwürdig freundlich drein ... noch einen Jammerblick von Marianne Davis fing Annemarie auf. Dann schlug die Tür der gefürchteten Aula hinter ihnen ins Schloß.
Draußen erklang es zum zweitenmal »Hurra!« vielstimmig aus den Kehlen der Unterprima. Mützen wurden in wilder Freude geschwenkt.
»Kinder ... ich bin selig!« Annemarie wirbelte in ungestümer Ausgelassenheit Elli Jordan, ein stilles, fleißiges Mädchen, im Kreise herum. »Marlenchen, also Mathematik hast du total verhauen ? Du redest ja keinen Ton. Hat dich die Freude der Sprache beraubt?«
Marlenes bleiches Gesicht bekam allmählich wieder Farbe.
»Ach, Annemarie, ich kann mich nicht so laut freuen wie du. Ich muß das ganz still für mich tun. Und dann noch eins: die arme Ilse! Die zwiebeln sie jetzt wohl schon arg da drin. Ich muß immerzu an Ilse denken. Ganz treulos komme ich mir vor, daß ich sie verlassen habe.«
»Na, dann geh doch wieder rein und sage dem Schulrat, 'wenn mein Unzertrennliches nicht vom Mündlichen befreit worden ist, will ich mich aus Freundschaft ebenfalls von Ihnen fressen lassen', du hast ja ein Piepvögelchen, Marlene!«
Das dritte »Hurra!« wurde laut. Es galt der umfangreichen Torte, zu deren Stiftung die Unterprima verpflichtet war. Ein Stück nach dem andern wurde verschmaust. Der gesunde Jugendappetit, der tagelang gestreikt hatte, war plötzlich wieder da, und zwar in gesteigertem Maße.
»Nun aber schleunigst nach Hause ... die Freudenbotschaft zu melden. Um zwölf zur Pause treffen wir uns hier wieder. Hoffentlich hat dann keine von den sieben Schiffbruch erlitten, Herr Piefke ... wir sind durch ... vom Mündlichen befreit!«
Annemaries helle Stimme jagte dem gerade seinen kleinen Hausgarten bestellenden Hausmeister einen Heidenschreck ein.
»Na, denn tu' ich auch schönstens jratulieren, Fräuleinchen. Ich hab's schon jestern jewußt ... aber Amtsjeheimnis über alles.« Piefke warf sich hoheitsvoll in die Brust.
Arm in Arm zogen die Glücklichen durch die belebten Straßen Berlins. Annemarie, beweglich wie Quecksilber, sprang und tanzte dahin. Jedem Vorübergehenden, und war es der mürrischste Griesgram, wurde es warm ums Herz, wenn er in die strahlenden jungen Augen blickte.
Im Galopp ging es daheim die Treppen hinauf ... immer zwei Stufen auf einmal.
»Hanne ... ich bin durch!«
»Na so 'ne Jemeinheit! Die Onkels können sich aber vor mich in acht nehmen ... unser Kind durchfallen zu lassen, wo es Tag und Nacht sich reine verrickte jelernt hat ...«
Annemaries übermütiges Lachen unterbrach die schimpfende Hanne.
»Aber, Hanne, ich bin doch nicht durchgefallen ... durch bin ich ... fertig ... ohne mündliches Examen, weil ich das Schriftliche mit eins ... ach, da ist Mutti!« Annemarie lag am Halse der Mutter, lachte und schluchzte durcheinander.
»Muttchen ... nun hat die Tierquälerei ein Ende! Vom Mündlichen bin ich befreit worden. Marlene Ulrich auch. Ach, Muttchen, ich bin ja so selig!« Fest hielt die Mutter ihr Nesthäkchen im Arm.
»Meine Lotte!« sagte sie nur leise.
Klaus, der die würdige
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