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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Botschaft der
Rache. Hören Sie ihn nur an. Sie werden verstehen.«
    »Das mache ich. Gibt es sonst noch
jemand bestimmten?«
    Der alte Mann spreizte die Hände. »In
dieser Gegend haben wir Hilflose und Penner und Verbrecher, deren Beute sie
sind. Wir haben viele heimatlose Personen. Es gibt Leute, die sich sonderbar
verhalten — die schreien oder andere auf der Straße böse anstarren. Dann gibt
es die, die Drogen nehmen und morden würden, um sie zu bekommen. Wer will da
sagen, welcher von ihnen verantwortlich ist?«
    Plötzlich erschien mir meine Aufgabe
riesengroß und gefährlich. »Aber es gibt niemand speziellen, über den die Leute
reden?«
    »Von Zeit zu Zeit sprechen sie von dem
einen oder anderen, besonders, wenn er oder sie gerade kürzlich einen Anfall
von Gewalttätigkeit hatte. Aber über niemanden mehr als über alle andern.«
    »Verstehe.« Ich dachte nach. Dann griff
ich mir einen Schokoladenriegel vom Tresen und grub in meiner Tasche nach Geld.
    Hung Tran hielt eine wächserne Hand
hoch. »Bitte, nehmen Sie das als kleinen Dank von mir an.«
    »Aber ich habe zu danken, für die
Informationen, die Sie mir gegeben haben.«
    »Nein, Sie helfen meinen Leuten. Es ist
das mindeste, was ich tun kann.«
    Gerührt murmelte ich meinen Dank und
schob den Schokoriegel in die Tasche. »Darf ich Sie wieder besuchen kommen,
wenn ich weitere Fragen habe?«
    »Aber sicher.« Sein Nicken war fast
schon eine Verbeugung.
    Der Straßenprediger, Bruder Harry,
stand noch immer vor dem Sensuous Showcase Theatre. Er stand auf einem kleinen
Stück blauen Teppich, den er auf dem Bürgersteig rechts von dem Eingang
ausgebreitet hatte, schwenkte die Arme und ermahnte alle, zu gott zurückzukehren. Auf den Schildern,
die er trug, stand auf dem vorderen »betet
zu jesus«. Eine besonders heftige Geste drehte ihn halb um, und ich
konnte die Worte ausmachen, die auf der Rückseite standen, »er wird antworten.«
    Trotz seiner lautstarken Botschaft zog
Bruder Harry nicht viel Publikum an. Ein paar Fußgänger beäugten ihn mit
wachsamer Neugier, aber die meisten ignorierten ihn, hasteten an ihm vorüber,
den Blick starr vor sich oder auf den Boden geheftet. Wieder andere stiegen zum
Kartenschalter des Theaters hinauf, einem gläsernen Rund, bezahlten bei der
stark geschminkten Angestellten und gingen hinein. Unbeirrt predigte Harry
weiter.
    »Er wartet auf uns alle, Brüder und
Schwestern. Er wartet darauf, daß ihr zu ihm zurückkommt. Seine Liebe ist ewig,
alles verzeihend. Aber die Zeit vergeht schnell. Und das Ende der Welt rückt
näher. Es wird Feuer geben, Flut und Pestilenz. Nur jene, die zu gott
zurückgekehrt sind, durch Jesus Christus, unseren Erlöser, werden überleben!
    Blut wird durch die Straßen laufen!
Eure Kinder werden vor Schmerz schreien! Euer eigenes Fleisch wird brennen! Der
Sünder wird sich in Qualen winden! Keiner wird verschont werden! Solches wird
die Strafe dessen sein, der gott nicht
akzeptiert!
    Kehr zurück, Sünder! Kehre um, oder...«
    Neben mir erklang die Stimme eines
Mannes. Sie sagte: »Sie müssen, um ihre Gewißheit zu erhalten, all jene, die
anders sind,...einer niedrigen Absicht bezichtigen.«
    Ich schrak zusammen und drehte mich um.
Der Mann, der dort stand, war wahrscheinlich Mitte Fünfzig, mit langem, grauem
Haar und einem dicken Bart und Schnurrbart. Seine Nase war koboldhaft, seine
Wangen rosig, und der volle Mund, der durch das ihn umgebende Haar sichtbar
war, verzog sich entzückt nach oben. Er trug eine ausgebeulte khakifarbene Hose
und ein abgetragenes braunes Cordjackett — Standardaufmachung hier in Tenderloin.
    Nachdem ich entschieden hatte, daß er
harmlos war, fragte ich: »Was haben Sie gesagt?«
    Geduldig wiederholte er seine Worte.
Der Rhythmus, in dem er sprach, ließ vermuten, daß er Poesie zitierte. Bruder
Harry hörte auf zu predigen und schaute zu uns herüber. Seine Augen in dem
fleischigen, wettergegerbten Gesicht verengten sich zu Schlitzen.
    Der andere Mann rezitierte weiter,
lauter und lauter. Ich wich zurück.
    Harry ballte die Fäuste und ging auf
den Mann zu. Die Schilder klapperten. »Verschwinde von hier, du Poesie ausspuckender
Trottel! Verschwinde aus meiner Ecke!«
    »Die Wahrheit erblüht dort, wo die
Lampe des Studenten geleuchtet hat, und nur dort — «
    Harry packte den Mann am Kragen seines
Jacketts und fing an, ihn zu schütteln. Harry war einen Kopf größer und sah
trotz der hinderlichen Bretter kräftiger aus. Ich trat noch weiter zurück,

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