Neubeginn in Virgin River
rausgezogen haben“, sagte Mel.
Der alte Arzt nickte ein zweites Mal und widmete sich dann gleich wieder seinem Getränk.
So viel zu der freundlichen Atmosphäre kleiner Dörfer, dachte Mel. Mrs. McCrea ging zurück ans Feuer und ließ sich dort auf einen Stuhl fallen.
„Entschuldigen Sie“, wandte Mel sich nochmals an den Arzt. Der sah sie über den Rand seines Glases hinweg zwar an, aber mit seinen zusammengezogenen buschigen weißen Brauen wirkte seine Miene geradezu grimmig. Sein weißes Haar lag so dünn über dem gefleckten Schädel, dass es fast aussah, als hätte er mehr Haare in seinen Brauen als auf dem Kopf. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Sie brauchen also Hilfe hier oben?“ Er funkelte sie nur weiter an. „Sie wollen keine Hilfe? Was ist denn nun?“
„Ich brauche keine großartige Hilfe“, kam die schroffe Antwort. „Aber diese Alte will schon seit Jahren einen anderen Arzt, der mich ersetzen soll. Sie ist besessen davon.“
„Und warum ist das so?“, fragte Mel mutig weiter.
„Keine Ahnung.“ Er starrte wieder in sein Glas. „Vielleicht kann sie mich nicht leiden. Und da ich sie nicht besonders mag, ist es auch egal.“
Der Barkeeper, der vermutlich auch der Besitzer der Bar war, kam mit einer dampfenden Schale in der Hand aus der Hintertür, blieb aber am Ende der Theke stehen und sah zu, wie Mel mit dem Arzt sprach.
„Nur keine Sorge“, erwiderte Mel, „ich bleibe eh nicht. Es wurde alles völlig falsch dargestellt. Ich werde morgen früh wieder abfahren, sobald der Regen nachlässt.“
„Jetzt haben Sie also Ihre Zeit verschwendet, nicht wahr?“, fragte er, ohne sie anzusehen.
„Ja, sieht so aus. Es ist schon schlimm genug, dass der Ort nicht so ist, wie man es mir erzählt hat. Jetzt wird aber alles noch komplizierter, weil Sie ja gar keinen Bedarf an einer Krankenschwester oder Hebamme haben?“
„Sie sagen es.“
Mel seufzte. Hoffentlich würde sie einen guten Job in Colorado finden.
Ein junger Mann, ein Teenager, trug ein Gestell mit Gläsern aus der Küche in die Bar. Mit seinen kurz geschnittenen dicken braunen Haaren, dem Flanellhemd und den Jeans sah er dem Barkeeper ziemlich ähnlich. Ein hübscher Junge, dachte Mel und betrachtete sein ausgeprägtes Kinn, die gerade Nase und die dichten Augenbrauen. Als er das Gestell unter den Tresen schieben wollte, unterbrach er seine Arbeit und starrte Mel überrascht an. Er bekam große Augen, und einen Moment lang öffnete sich sein Mund. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und schenkte ihm ein Lächeln. Langsam schloss er den Mund wieder, blieb aber weiter regungslos mit den Gläsern in der Hand stehen.
Mel wandte sich von dem Arzt und dem Jungen ab und ging wieder auf den Tisch zu, an dem Mrs. McCrea saß. Der Barkeeper stellte die Schale mit dem Eintopf, die Teller und das Körbchen mit den Servietten und dem Besteck vor sie hin und blieb dann abwartend hinter einem Stuhl stehen, den er für Mel bereithielt. Jetzt, aus der Nähe, sah sie erst, wie groß und kräftig er war – mindestens ein Meter achtzig und mit beeindruckend breiten Schultern. „Ein schreckliches Wetter für Ihre erste Nacht in Virgin River“, sagte er freundlich.
„Miss Melinda Monroe, das ist Jack Sheridan. Jack, das ist Miss Monroe.“
Mel wollte sie korrigieren und ihnen sagen, dass es Mrs. heißen müsste, tat es dann aber doch nicht, weil sie keine Lust hatte, zu erklären, dass es keinen Mr. Monroe mehr gab. Dr. Monroe, um genau zu sein. Daher sagte sie einfach nur: „Schön, Sie kennenzulernen“, und fügte auf den Eintopf bezogen hinzu: „Danke.“
„Es ist wirklich ein schöner Ort, wenn das Wetter mitspielt“, setzte er das Gespräch fort.
„Davon bin ich überzeugt“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen.
„Sie sollten ihm ein bis zwei Tage lang eine Chance geben“, schlug er vor.
Sie tauchte ihren Löffel in den Eintopf und probierte ein wenig. Einen Moment lang hielt er neben dem Tisch die Luft an. Dann sah sie zu ihm auf und sagte einigermaßen überrascht: „Das ist ja köstlich.“
„Eichhörnchen“, bemerkte er trocken.
Sie verschluckte sich.
„Das war nur ein Witz“, erklärte er grinsend. „Es ist Rindfleisch. Maisgefüttert.“
„Verzeihen Sie bitte, wenn mir mein Sinn für Humor etwas abhanden gekommen ist“, erwiderte sie gereizt. „Es war ein langer und ziemlich anstrengender Tag.“
„Ach ja? Dann ist es ja gut, dass ich den Remy schon entkorkt habe.“ Mit diesen Worten begab er sich
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