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Neubeginn in Virgin River

Neubeginn in Virgin River

Titel: Neubeginn in Virgin River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robyn Carr
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lustige Gabe – Musik im Kopf. Jeden Morgen, wenn sie aufwachte, hörte sie als Erstes ein Lied, so klar und deutlich, als käme es aus dem Radio. Jedes Mal war es etwas anderes. Und auch wenn Mel bei Tageslicht nicht in der Lage war, ein Instrument zu spielen oder auch nur einen Ton zu halten, erwachte sie doch jeden Morgen mit irgendeiner Melodie auf den Lippen. Wachte dabei auf, wie sie ein Lied falsch mitsummte. Mark richtete sich dann meist auf, beugte sich auf einen Ellbogen gestützt grinsend über sie, während er darauf wartete, dass sie die Augen aufschlug, und fragte: „Was ist es denn heute?“
    „,Begin the Beguine‘“, antwortete sie dann. Oder auch: „,Deep Purple‘“, und immer konnte er sich vor Lachen kaum halten.
    Nach seinem Tod war die Musik aus ihrem Kopf verschwunden.
    In das Federbett eingewickelt, setzte sie sich auf. Das Morgenlicht betonte den Schmutz in der Hütte. Als sie draußen die Vögel singen hörte, sprang sie auf und lief zum Eingang. Sie öffnete die Tür und freute sich über einen klaren, hellen Morgen. Noch immer in das Federbett gewickelt, trat sie auf die Veranda hinaus und blickte nach oben. Jetzt, im Tageslicht, konnte sie erkennen, wie hoch die Pinien, Tannen und Gelbkiefern wirklich waren. Sie ragten mindestens fünfzehn bis achtzehn Meter über die Hütte hinaus, manche sogar wesentlich höher. Noch immer tropfte der Regen, der sie gewaschen hatte, von ihnen ab. Sie waren voller grüner Tannenzapfen, Zapfen, so groß, dass man eine Gehirnerschütterung davontragen könnte, falls einem einer auf den Kopf fiele. Darunter sattgrüne Farne. Sie konnte vier verschiedene Sorten ausmachen, von großstängligen schlappen Fächern bis hin zu zarten Gebilden wie Spitze. Alles wirkte frisch und gesund. Die Vögel sangen und hüpften von Zweig zu Zweig, und der Himmel hatte eine azurblaue Farbe angenommen, wie sie sie in Los Angeles seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ziellos trieb dort oben eine wattige weiße Wolke, und ein Adler schwang sich mit weit gespannten Flügeln über ihr in die Höhe und verschwand hinter den Bäumen.
    Tief atmete sie die Luft dieses frischen Frühlingsmorgens ein. Ah, dachte sie. Es ist wirklich zu schade, dass es mit dem Haus, dem Dorf und dem Arzt nicht funktioniert hat, denn dieses Fleckchen Land ist wunderschön. Unberührt. Kraft spendend.
    Sie hörte ein Krachen und runzelte die Stirn. Ohne Vorwarnung gab die Seite der Veranda, die bereits abgesunken war, nun endgültig nach und brach an der schwachen Stelle in sich zusammen. Dadurch ergab sich eine so starke Neigung, dass Mel den Halt unter den Füßen verlor und mit einem lauten Platsch geradewegs in ein tiefes, nasses Schlammloch rutschte. Dort lag sie dann wie ein schmutziger, feuchter, eiskalter Burrito in ihrem Federbett. „Mist“, fluchte sie, wickelte sich aus dem Federbett und kroch die Veranda, die ja steuerbords noch befestigt war, wieder nach oben und ins Haus.
    Sie packte ihren Koffer. Das war’s jetzt.
    Zumindest waren die Straßen nun passierbar, und bei Tageslicht würde sie auch nicht Gefahr laufen, auf einen schlammigen Standstreifen zu geraten und darin stecken zu bleiben. Dann aber überlegte sie, dass sie vermutlich ohne Kaffee nicht weit kommen würde, und schlug daher die Richtung zurück ins Dorf ein, obwohl ein Instinkt sie drängte, lieber das Weite zu suchen und irgendwo unterwegs einen Kaffee zu trinken. So früh am Morgen würde die Bar vermutlich noch nicht geöffnet sein, aber sie schien wenig Alternativen zu haben. Gut möglich, dass sie aus Verzweiflung an die Tür des alten Arztes klopfen und ihn um Kaffee anbetteln würde, auch wenn der Gedanke, seinem grimmigen Gesicht noch einmal zu begegnen, kaum eine angenehme Vorstellung war. Aber im Haus des Arztes war kein Lebenszeichen auszumachen, und auch auf der anderen Straßenseite, bei Jack, oder im Laden, schien sich nichts zu rühren. Koffein-Junkie, der sie war, versuchte sie es dann doch an der Tür der Bar, und sie sprang auf.
    Das Feuer im Kamin brannte. Der Gastraum wirkte auch bei Tageslicht noch immer so einladend wie in der vergangenen Nacht. Er war groß und gemütlich, trotz der Tiertrophäen an den Wänden. Dann war sie überrascht, als sie einen großen glatzköpfigen Mann aus dem hinteren Nebenraum hereinkommen sah, der sich hinter die Theke stellte. In einem Ohr glitzerte ein Ohrring, und er trug ein schwarzes T-Shirt, das sich über seinem enormen Brustkorb spannte. Unter einem

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