Neue Leben: Roman (German Edition)
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Lieber Jo!
Heute früh klingelte es bei uns Sturm. Vor der Tür standen Schwarz und Blond, zwei mir bekannte Polizisten. Ich fragte, ob sie unsere Wohnung durchsuchen wollten. 263 »Heute nacht«, sagten sie, ohne eine Miene zu verziehen, »wurde in Ihrer Zeitung eingebrochen!«
Schwarz und Blond durften mir keine Auskunft geben, auch nicht auf die alles entscheidende Frage, ob die Computer noch da waren.
Am liebsten hätte ich dann den großen Bildschirm geküßt und umarmt. Ich schaltete ein Gerät nach dem anderen ein, als erkundigte ich mich nach ihrem Befinden, und stand glücklich inmitten ihres Gesummes. Alles andere, dachte ich, ist zweitrangig. Der Metallschrank in meinem Zimmer war aufgebrochen,Ilonas Kassette mit den Bareinnahmen vom Freitag fehlte, nicht mehr als dreihundert Mark. Im Zimmer von Fred und Kurt hatten sie unseren Groschenvorrat erbeutet. Das alles erschien mir wie ein Bubenstreich. Schwarz und Blond verabschiedeten sich.
Wir sollten froh sein, sagte der Kripomann, daß die etwas gefunden hätten. In der oberen Etage haben sie die Schubladen herausgerissen und die Manuskripte von Jörg, Marion und Pringel über den Fußboden verstreut.
Ich fragte nach dem Käferchen und ihrem Mann. Der Kripomann verstand die Frage nicht (wir kennen uns vom Polizeireport, ein untersetzter Typ mit Schraubstock-Händedruck und Augen wie Schießscharten).
Im dunklen Treppenhaus tasteten wir uns nach oben. Der Kripomann stolperte auf den unregelmäßigen und kaputten Stufen. Im Schein seines Feuerzeugs suchte ich nach der Klingel. Die Tür war offen, ließ sich aber nur einen Spalt weit aufdrücken. Er leuchtete den Türrahmen ab. »Brechstange«, sagte er. Das Schloß hing heraus. Ich rief nach dem Käferchen, zweimal, dreimal. Als Antwort – mir gefror das Blut! Ich muß es so sagen: ein unmenschliches Geheul. Selbst der Kripomann schrak zusammen.
Ich erkannte die Stimme des Alten erst gar nicht. Ich rief meinen Namen. Der Alte brüllte. »Meuchler! Oooch duuuh veruuhchter Meuchler!« Der Alte verfluchte uns, uns Banditen!
Zusammen mit einem zweiten Kripomann gelang es, die Tür zu öffnen und den Schrank wegzuschieben. Der Alte ging mit der Axt auf uns los, das Feuerzeug verlosch. Gleichwohl glückte es den beiden Kripos, den Alten zu fassen. Ich hörte, wie die Axt die Stufen hinabschlitterte.
Der Alte stank fürchterlich. Er röchelte fast tonlos sein schauerliches »Meuchler!« und drohte, uns den Hals umzudrehen.
Frau Schorba schob mich ins Computerzimmer und bot mir eine von ihren grünen Beruhigungspillen an. Sie war um sieben gekommen und hatte sich absolut vorschriftsmäßig verhalten – noch in Lucka war sie über das Verhalten bei Einbruch belehrt worden.
Durchs Fenster sah ich das Blaulicht. Kurz darauf hörte ich wieder die Stimme des Alten, während man ihn und das Käferchen nach unten transportierte.
Wir begannen mit den Kripoleuten unseren Rundgang. Jeder mußte an seinem Platz sagen, was fehlte oder beschädigt worden war. Ich dachte erst, ich sei gänzlich verschont geblieben. Dann konnte ich es kaum glauben: Das Photo von Robert, Michaela und mir war verschwunden. Es hatte zwischen meinen Papieren gelegen. Ilonas Familienphoto hingegen, es war gerahmt gewesen, hatten die Einbrecher auf den Boden geworfen und das Glas zertreten. Darüber hatten sie den Inhalt ihrer »Operntasche« verstreut. Ich wisse ja, schluchzte sie, was das bedeute. Sie meinte den Spiegel. Ilona ist abergläubisch. Bei Spiegeln, klärte ich sie auf, folgten nur dann sieben böse Jahre, wenn man sie selbst zerbreche. Sie schüttelte ihr Köpfchen, nein, nein, so sei es eben nicht.
Die Einbrecher sind vom Hof aus durch das einzige Fenster in den Haushaltsladen gestiegen. Die Kasse war leer und stand offen. Offenbar haben sie nur nach Geld gesucht und außer einem Mixer nichts mitgehen lassen. Auch bei uns fanden sich Spuren der Brechstange. Keine saubere Arbeit, wie der kleine Kripomann abschätzig meinte. Ich mußte immer auf seine Hände sehen. In zwei Fingern hat er mehr Kraft als ich im ganzen Arm. Obwohl die Tasse heiß war, hielt er sie wie einen Becher, spreizte jedoch den kleinen Finger ab. Er ist der Ältere, steht im Dienstrang aber offenbar tiefer. Er läßt seinen Kompagnon immer zuerst durch die Tür. Selbst als ich ihnen Kaffee anbot, warteteer erst das Ja des anderen ab. Sein Chef wirkt unsicher, ist sofort bereit, uns zuzustimmen oder über Gesagtes zu lachen, während der Kleine keine
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