Grund.
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[email protected]THEMA: Hit me baby one more time
Stell dir vor: Owen, der Jungspund, hat wieder angerufen. Er sagte, er habe sich sein Bein angesehen und festgestellt, dass etwas fehlte, dann sei ihm bewusst geworden, dass der riesige blaue Fleck, den er sich bei mir zugezogen hatte, als ich ihn aus dem Bett stieß, verschwunden war. Er hat gefragt, ob die Chance zu einer Wiederholungsvorstellung bestünde, und anscheinend hat er mich zu einem heiklen Zeitpunkt erwischt, denn ich habe ja gesagt. Die Einzelheiten müssen wir noch absprechen. Ich weiß noch nicht, wie ich das mit Mam bewerkstellige, aber mir wird schon was einfallen. Und ich habe vor, mich zu vergnügen …
Liebe Grüße
Gemma
Es war gut, dass ich einen Abend rauskam. Die Abende zu Haus bei Mam hatten eine verheerende Wirkung auf meinen Realitätssinn. Ich konnte nicht aufhören, mir auszudenken, was alles für Dad und Colette schief gehen könnte, und kleine Texte darüber zu verfassen. Es war das Einzige, was mir Trost spendete. Ich erfand eine lebendige Fantasiewelt, in der Colette, unter anderem, sich weigerte, ihre Arbeit als Sekretärin zu machen, da sie jetzt mit Dad zusammenwohnte, und Dad, nachdem er mit seinen Vorgesetzten Schwierigkeiten bekam, allmählich wieder Vernunft annahm.
Ich wünschte mir nichts dringender, als dass Mam und Dad wieder zusammenkommen würden. Es war schrecklich, aus einer kaputten Familie zu kommen, selbst in meinem Alter.
Statt mich meiner Bauer-Regisseur-Fantasie hinzugeben, verbrachte ich meine schlaflosen Morgen damit, mir Szenen aus verschiedenen Liebesschmonzetten auszudenken, in denen Mam und Dad wieder vereint werden. Eine gefiel mir besonders; darin mussten sie aus irgendeinem Grund – zum Beispiel der Geburtstag eines gemeinsamen Freundes – zusammen eine lange Reise machen, aber sie haben eine Panne und verbringen die Nacht in einem Häuschen irgendwo mitten in der Landschaft, dann kommt ein Unwetter auf, der Strom fällt aus, sie hören verdächtige Geräusche und müssen aus Gründen der Sicherheit in einem Bett schlafen. Aber meine Lieblingsszene war die, in der Dad bei Mam unter dem Vorwand, seine Post holen zu wollen, vorbeikommt. Sie hatte sich die Haare machen lassen, ihr Make-up war diskret und schmeichelhaft, und sie trug einen Sarong über einem Badeanzug. Sie sah fantastisch aus.
»Noel«, sagte sie mit einer Herzlichkeit, die ihn verwirrte. »Wie schön, dass du kommst. Ich wollte gerade einen Happen essen. Magst du mir Gesellschaft leisten?«
»Ehm, kommt drauf an. Was gibt es denn?«
»Ein getoastetes Sandwich mit Schinken und Käse und eine Flasche köstlichen trockenen Chardonnay.«
»Colette erlaubt mir nicht, Käse zu essen.«
»Und Helmut glaubt, ich bin Vegetarierin«, gab sie trocken zurück.
»Dann wird es wohl nichts mit dem Essen.«
»Wirklich nicht?« Mam lächelte ihm verschwörerisch zu. »Wollen wir es trotzdem machen? Ich sage niemandem was, wenn du auch nichts sagst.«
»Na gut.«
»Es ist so schön draußen, sollen wir uns auf die Terrasse setzen?«
Sie setzten sich an den kleinen Tisch, und die Sonne lächelte auf sie hinunter. Die Bienen summten träge zwischen den in der leichten Brise schwingenden Königskerzen. Mam trug eine Sonnenbrille von Chanel, und ihr Lippenstift rieb sich nicht ab, als sie das Sandwich aß. Dads Blick ruhte auf dem schönen, blühenden Garten, der einst, bevor er sich von Tangaslips verführen ließ, sein ganzer Stolz gewesen war. »Ich hatte ganz vergessen, was für ein hübscher sonniger Platz das ist.«
»Ich nicht.« Mam streckte ihr sonnengebräuntes Bein aus. »Die Riviera von Kilmacud, mein Lieber. Erzähl mir, wie es dir geht. Wie ist das Leben mit Claudette?«
»Colette.«
»Oh, entschuldige bitte. Colette. Geht es gut?«
»Bestens«, sagte er trübsinnig. »Und dein Leben mit Helmut?«
»Fantastisch. So viel Sex, dass ich nicht weiß, was ich damit machen soll.«
»Äh … aha.«
»Sex«, sagte Mam wegwerfend und lutschte sich den Käse von den Fingern. »An was anderes denken die nicht, die jungen Leute. Man könnte meinen, sie hätten es gerade erfunden. Ziemlich erbärmlich.«
»Jaha. Sie rauben einem alle Kräfte.« Plötzlich sprudelten die Worte aus ihm heraus. »Warum kann man nicht einfach kuscheln? Warum muss es immer das komplette Programm sein? Warum kann ich mich nicht ins Bett legen und einmal einfach NUR