Neue Schuhe zum Dessert
ich Sie bei Ihnen zu Hause absetzen?«
»Nein, ich will mit Ihnen nach Hause kommen.«
Sie glaubte schon, sie fantasiere. »Nein«, sagte sie überrascht.
»Warum nicht?«
»Sie sind verheiratet. Sie sind mein Chef. Sie sind betrunken. Soll ich noch mehr sagen?«
»Morgen früh bin ich nüchtern.«
»Aber immer noch verheiratet. Und immer noch mein Chef.«
»Bitte!«
»Nein.« Sie lachte und entzog sich seiner Berührung, und bevor sie die Autotür zuschlug, sagte sie: »Morgen habe ich das hier vergessen.«
»Ich nicht.«
Am nächsten Tag erwartete sie, eine verlegene, witzig formulierte Entschuldigung zu hören – ein Verdrehen der Augen, ein Satz wie: »Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne gestern Abend«, und vielleicht ein Alka Seltzer als Friedensangebot. Aber es gab nichts: keine Entschuldigung, kein Alka Seltzer, nichts.
Sie sah ihn erst am Nachmittag, und das war purer Zufall, als sie sich im Flur begegneten. Kaum erblickte er sie, veränderten sich seine Augen. Sie hatte schon gehört, dass Pupillen dunkel werden – schließlich musste sie dauernd irgendwelche Liebesromane lesen – aber sie hatte es noch nie zuvor erlebt. Doch jetzt weiteten sich seine Pupillen wie auf Wunsch, bis sie fast ganz schwarz waren. Er sagte kein Wort, und danach war es anders zwischen ihnen.
21
Samstag, 11.12 Uhr
Sie war gerade wieder eingeschlafen, als es klingelte. Blumen. Seit dem Beginn ihrer Affäre mit Mark hatte sie so viele Blumen bekommen wie nie zuvor in ihrem Leben, und sie hatte keine Freude mehr daran. Die Blumen standen für nicht eingehaltene Verabredungen, für Wachsenthaarungsprozeduren, die sie unnötig über sich hatte ergehen lassen, für Körbchen voller Erdbeeren, die sie allein essen musste und von denen sie Magenschmerzen bekam.
Sie stand in ihrem langen T-Shirt an der Tür und wartete auf den Blumenlieferanten. Sie wohnte im fünften Stock eines Wohnblocks in Maida Vale, in einem roten Backsteingebäude, das ursprünglich zu dem Zweck gebaut worden war, dass verheiratete Männer dort ihre Mätressen unterbringen konnten. Aber als sie eingezogen war, hatte sie nicht gewusst, dass sie eines Tages auch eine Mätresse sein würde. Sie hätte gelacht, nicht nur über die Vorstellung, sondern schon über das Wort.
Ein enormes Bouquet von Osterlilien kam die Treppe herauf. Oben angekommen neigte es sich vornüber, und dahinter erschien ein junger Mann.
»Schon wieder Sie«, sagte er vorwurfsvoll und händigte ihr den Strauß in der knisternden Zellophanumhüllung aus. »Moment noch, die Karte.« Er zog den Umschlag aus seiner Tasche. »Er schreibt, es tut ihm Leid, er macht es wieder gut.«
»Und was ist mit der Privatsphäre?«
»Ich musste den Text schreiben. Da kann er nicht sehr privat bleiben. Muss ziemlich übel gewesen sein, er hat gesagt, wir sollen an nichts sparen.«
»Na gut. Danke.« Jojo ging wieder in die Wohnung.
»Könnten Sie bitte aufhören, diese Zerwürfnisse zu haben? Die Treppe bringt mich noch um.«
Jojo schloss die Tür, stellte die Blumen ins Spülbecken in der Küche und rief Becky an. »Wie geht’s?«
»Oh, ich dachte, du verbringst den Tag mit Mark.« Becky klang besorgt.
»Ist was dazwischen gekommen. Und was macht ihr?« Sie versuchte fröhlich zu klingen. Sie wollte kein Mitleid.
»Zahnarzt«, sagte Becky. »Gestern Abend ist mir eine Plombe rausgefallen, und dann gehen Shayna und ich einkaufen. Möchtest du mitkommen?«
Jojo zögerte. Ihre Figur mit Busen, Taille und Hüften war zuletzt 1959 modern gewesen. Deswegen war es eher anstrengend, wenn sie mit der superschlanken Shayna einkaufen ging, weil die gern in Läden guckte, wo es Sachen für unterernährte dreizehnjährige Mädchen gab.
»Ich weiß«, sagte Becky, die ihr Zögern verstand. »Sie will bestimmt zu Morgan gehen. Aber komm doch trotzdem. Es wird bestimmt lustig.«
»Ich glaube, ich lass es, Süße. Bis später.«
Samstag, 12.10 Uhr
»Shayna, du hast mich doch zum Essen eingeladen. Ich weiß, ich hab die Nase gerümpft und abgesagt, aber kann ich trotzdem kommen? Wahrscheinlich bringt das deine Sitzordnung durcheinander, aber ich sitze auch gern am Kindertisch und esse Chicken Nuggets.«
»Schon wieder«, sagte Shayna.
»Ja, schon wieder.«
Eine der Nebenwirkungen der Affäre mit einem verheirateten Mann war die, dass sie sich oft in letzter Minute anderen Leuten aufdrängen musste, wobei sie sich nicht immer wohl fühlte.
»Du solltest dich nicht wie Dreck behandeln
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