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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nicht getroffen war.
    »Jojo ist nie auf Diät«, sagte Shayna stolz.
    Sie hatte es einmal, als sie siebzehn war, versucht, und nach weniger als einem Tag wieder aufgegeben.
    »Das sieht man.«
    »Ambrose, entschuldige dich, um Himmels willen!«, rief die Frau, die ihm gegenüber saß. Sie war so dünn, dass man fast durch sie hindurchsehen konnte, und Jojo vermutete, dass sie zu Ambrose gehörte.
    »Wofür? Ich habe lediglich eine Tatsache ausgesprochen.«
    »Juristen! Blödes Volk!« Shayna schloss die Augen.
    Unbeeindruckt nickte Ambrose zu dem wandelnden Skelett hinüber. »Sehen Sie sich Cecily an. Sie isst nie etwas, und sie ist trotzdem fit.«
    So kann man es auch sehen, dachte Jojo und fragte sich, wann Cecily wohl das letzte Mal ihre Periode hatte.
    »Es tut mir Leid«, entschuldigte Cecily sich über den Tisch, »normalerweise ist er nicht so unhöflich.«
    »Aber dafür brauchen Sie sich doch nicht zu entschuldigen«, sagte Jojo und lächelte, obwohl sie sich gekränkt fühlte. Es lohnte sich nicht, wegen diesem Trottel eine Szene zu machen.
    »Er ist ein Idiot. Bitte beachten Sie ihn nicht weiter.« Cecily mochte Jojo sehr, sie hatte sie seit ihrer Ankunft beobachtet. Jojo war eine stattliche Frau – stattlicher als Cecily sich in all ihren Albträumen, in denen die Rumkugeln nur so herumrollten, nicht vorstellen konnte –, und sie war ein Prachtweib: üppig und wohlgeformt in der fabelhaften schwarzen Hose und dem figurbetonten weinroten Oberteil, das Dekolletee und die Schultern straff und leuchtend wie Satin. (Das war der Pearlescent Body Lotion zu verdanken, hätte Jojo gern erklärt, wenn sie nur gefragt worden wäre.)
    Was aber Cecily am meisten beeindruckte, war, dass Jojo sich in ihrer Haut so wohl zu fühlen schien. So sehr beeindruckte sie das, dass sie schon halb darüber nachdachte, ihr Abo beim Fitnessstudio zu kündigen. Oder – warum auch nicht, verdammt – einfach das zu essen, worauf sie Lust hatte. Wenn es Jojo gut dabei ging, konnte es doch auch bei ihr funktionieren.
    Manchmal erging es Frauen so, die Jojo kennen lernten. In ihrer Gegenwart durchschauten sie die Lügen der Werbeindustrie und waren plötzlich überzeugt, dass es keinerlei Bedeutung hatte, wie dick oder dünn jemand war, und dass es die nicht messbaren Dinge wie Lebensfreude und Selbstvertrauen waren, die zählten. Aber wenn sie nach Hause kamen, entdeckten sie zu ihrer großen Enttäuschung, dass sie nicht Jojo Harvey waren, und plötzlich konnten sie nicht mehr verstehen, warum sie diese Gefühle und Gedanken hatten.
     
    Samstagabend, 23.45 Uhr
    Als eine lautstarke, trunkene Diskussion über Politik anhob, dachte Jojo: Jetzt reicht’s. Ich gehe . Plötzlich konnte sie es nicht mehr ertragen, mit Menschen zusammen zu sein, die nicht Mark waren, und wollte einfach nur weg. Anscheinend war in letzter Zeit immer sie es, die als Erste bei solchen Veranstaltungen aufbrach.
    Shayna und Brandon wollten ein Taxi für sie bestellen und warnten sie, die Gegend sei noch nicht so weit aufgestiegen, dass es an einem Samstagabend sicher war, zu Fuß unterwegs zu sein, aber Jojo wollte einfach nur raus hier. Ein panisches Gefühl, gefangen zu sein, überwältigte sie, während sie Umarmungen und Küsse über sich ergehen lassen musste. Endlich war sie auf der Straße und atmete die köstliche, kalte Nachtluft tief ein. Dann sah sie das gelbe Licht eines nahenden Taxis. Wunderbar. Eine halbe Stunde später war sie in ihrer stillen Wohnung, goss sich ein Glas Merlot ein, schaltete den Fernseher am Fuß ihres Bettes an und schlüpfte ins Bett, um sich ihr Video über Meerkatzen in der Kalahari anzusehen. Olga Fisher hatte es ihr geliehen. Olga Fisher war Partner bei Lipman Haigh, eine von sieben – die einzige Frau –, und sie und Jojo teilten die Begeisterung für Tierfilme. Alle anderen lachten sie deswegen aus, und die beiden tauschten ihre David-Attenborough-Videos so heimlich, als wären es Pornofilme.
    Olga war Ende vierzig, unverheiratet, trug Perlenketten und elegant geschlungene Schals, und weil sie für ihre Autoren gute Bedingungen aushandelte, galt sie als Männerschreck. Wäre sie ein Mann, dachte Jojo höhnisch, würde sie einfach als ausgezeichneter Agent gelten. Sie überlegte, ob man sie, Jojo, auch einen Männerschreck nannte. Wahrscheinlich. Mistkerle!
    Sie machte es sich im Bett bequem und musste lachen, als eine männliche Meerkatze, die hoch in einem Baum die Szenerie betrachtete, wobei sie die Pfoten

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