Neues Vom Räuber Hotzenplotz
sehen?«
»Nein«, sagte Kasperl, »dann müßte das Auto aus Glas sein. Glauben Sie bloß nicht, daß jemand auf Ihre dummen Lügengeschichten hereinfällt!«
»Aber das sind keine Lügen! Das ist die reine, amtliche, polizeilich erwiesene Wahrheit! Ich bitte euch, glaubt mir und laßt mich hier 'raus! Was soll ich denn tun, damit ihr mir endlich Glauben schenkt?«
Kasperl und Seppel hätten ihm gern noch ein Weilchen zugehört. Es freute sie, daß sich der Räuber Hotzenplotz nun aufs Betteln verlegt hatte.
Doch da schlug es vom Rathausturm Viertel nach zwölf, und plötzlich fiel ihnen ein, daß heut Donnerstag war.
»Winseln Sie ruhig weiter!« rief Kasperl zum Gitterfenster hinein. »Mein Freund Seppel und ich müssen leider nach Hause zum Mittagessen, Herr Oberschmachtmeister Plotzenhotz – oder glauben Sie, daß wir Ihretwegen die Bratwürste platzen lassen?«
Neuigkeiten
Zunächst hatten Kasperl und Seppel den Eindruck, als nähme es Großmutter ihnen gewaltig übel, daß sie so spät nach Hause gekommen waren. Sie saß regungslos hinter dem Küchentisch und strafte sie, wie es schien, mit Verachtung.
»Großmutter!« sagte Kasperl. »Bitte, sei wieder lieb – es war wirklich nicht unsere Schuld!«
Jetzt erst merkte er, was mit Großmutter los war.
»Ach du grüne Sieben! Ich glaube fast, sie ist wieder ohnmächtig!«
Seppel deutete auf die leere Bratpfanne und den Sauerkrauttopf.
»Vielleicht war sie böse, weil wir nicht pünktlich zum Essen gekommen sind«, meinte er. »Da hat sie vor lauter Ärger alles allein verputzt, und dann ist ihr schlecht geworden.«
»Kann sein«, sagte Kasperl. »Neun Bratwürste und ein ganzer Topf Sauerkraut sind ein bißchen viel für sie.«
Gemeinsam schleppten sie Großmutter auf das Sofa. Sie betupften ihr Stirn und Schläfen mit Franzbranntwein, sie hielten ihr eine frisch aufgeschnittene rohe Zwiebel unter die Nase.
Davon mußte Großmutter fürchterlich niesen; und nachdem sie sich ausgeniest hatte, richtete sie sich auf und blickte umher wie jemand, der seinen eigenen Namen vergessen hat. Dann fiel ihr Blick auf die leere Bratpfanne und den Sauerkrauttopf auf dem Küchentisch – und da kehrte mit einem Schlag ihr Gedächtnis zurück. »Stellt euch vor, was geschehen ist!«
Hastig erzählte sie Kasperl und Seppel von ihrem Abenteuer mit Hotzenplotz.
»Ist es nicht haarsträubend?« rief sie. »Am hellen Mittag ist man in dieser Stadt seines Lebens und seiner Bratwürste nicht mehr sicher! Ich möchte bloß wissen, wozu es hier eine Polizei gibt!«
Großmutter ließ sich mit einem Seufzer aufs Sofa zurücksinken, und es hatte den Anschein, als gedenke sie im nächsten Augenblick erneut in Ohnmacht zu fallen. Mit matter Stimme bat sie Kasperl und Seppel, zum Oberwachtmeister Dimpfelmoser zu laufen und ihm den Vorfall zu melden.
»Wie ich ihn kenne«, hauchte sie, »sitzt er um diese Zeit in der Wachtstube hinterm Schreibtisch und hält sein Mittagsschläfchen.«
»Heut kaum!« sagte Kasperl.
Und obgleich er einen gräßlichen Hunger hatte (donnerstags aß er zum Frühstück immer nur halb, um zu mittag den richtigen Bratwurst- und Sauerkraut-Appetit zu haben) versetzte er seinem Freund Seppel eins in die Rippen und rief:
»Nichts wie zum Spritzenhaus!«
Ohne sich weiter um Großmutter zu kümmern, machten die Freunde kehrt und flitzten zur Tür hinaus.
»Aber, aber – was habt ihr denn?«
Großmutter blickte ihnen verwundert nach.
Es gelang ihr, die aufkommende Ohnmacht zu überwinden. Sie tastete sich am Sofa entlang zum Tisch und vom Tisch zum Küchenschrank. Dort genehmigte sie sich zur Stärkung zwei Gläschen Melissengeist, und nachdem sie sich dreimal kräftig geschüttelt hatte, rannte sie Kasperl und Seppel nach.
Ein Ausbund an Unverschämtheit
Zum Spritzenhaus gab es zwei Schlüssel. Den einen hatte Herr Oberwachtmeister Dimpfelmoser in Verwahrung, den andern der Hauptmann der freiwilligen Feuerwehr, ein Herr Rübesamen, im Hauptberuf Inhaber einer kleinen Senffabrik.
Herr Rübesamen dachte sich weiter nichts dabei, als Kasperl und Seppel ihn um den Spritzenhausschlüssel baten: Herr Oberwachtmeister Dimpfelmoser habe sie hergeschickt, es sei dringend . . .
»Aber natürlich, gern – und bestellt dem Herrn Oberwachtmeister einen schönen Gruß von mir!«
Sobald Kasperl und Seppel den Schlüssel hatten, rannten sie hast-du-was-kannst-du zum Spritzenhaus, wo sie von Großmutter schon erwartet wurden.
»Sagt mir um Himmels
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