Neues Vom Räuber Hotzenplotz
Dienstrad. Sowie ich die Uniform aus der Reinigungsanstalt zurückbekomme, radle ich damit los – und dann wird es nicht lange dauern, bis Hotzenplotz wieder im Loch sitzt, das schwöre ich Ihnen!«
»Gut«, sagte Großmutter. »Also den Säbel, die Schuhe und Strümpfe, den Helm und das blaue Fahrrad.«
»Und Bratwürste!« fügte Kasperl hinzu.
»Bratwürste?« fragte Großmutter.
»Ja«, sagte Kasperl. »Vergiß nicht, daß heute Donnerstag ist! Bratwurst mit Sauerkraut könnte man ausnahmsweise auch einmal am Abend essen . . .«
»Bratwurst mit Sauerkraut?« Großmutter schüttelte heftig den Kopf. »Solange der Räuber Hotzenplotz frei herumläuft, kommen mir keine Bratwürste mehr ins Haus. Und Sauerkraut auch nicht! Glaubt ihr, ich locke mir diesen Menschen ein zweitesmal auf den Hals? Einmal genügt!«
Dabei blieb sie, und es gab nichts auf der ganzen Welt, was sie davon abbringen konnte.
Weil Kasperl und Seppel das wußten, versuchten sie gar nicht erst, es ihr auszureden. Traurig gingen sie in den Garten. Sie setzten sich hinter dem Haus in die Sonne und überlegten.
Die Rechnung war einfach: Je schneller der Räuber Hotzenplotz hinter Schloß und Riegel kam, desto früher gab es bei Großmutter wieder Bratwurst mit Sauerkraut.
»Wollen wir eigentlich warten, bis Dimpfelmoser ihn fängt?« fragte Kasperl. »Es muß was geschehen, finde ich . . .«
»Hast du schon einen Plan?« wollte Seppel wissen.
»Man müßte ihn einfach wieder ins Spritzenhaus locken, verstehst du . . .«
»Fragt sich nur wie!« meinte Seppel. »Mit Speck vielleicht – oder mit Bratwürsten?«
»Das ist alles Quatsch!« sagte Kasperl.
Er legte die Stirn in Falten und dachte nach. Er dachte an dies und jenes – und plötzlich fiel ihm die Essigflasche ein, die sie heut aus dem Stadtbach gefischt hatten.
»Ich hab's!« rief er. »Seppel, ich hab's! Wir bringen ihm eine Flaschenpost!«
»Eine Fla...?«
»Eine Flaschenpost!«
»Und die schicken wir Hotzenplotz?«
»Du mußt zuhören, wenn ich dir etwas sage: Wir bringen sie ihm – das macht einen großen Unterschied. Weißt du was, Seppel? Sei doch so gut und besorge mir im Papiergeschäft eine Stange Siegellack!«
»Siegellack?«
»Ja«, sagte Kasperl. »Bei einer richtigen Flaschenpost ist der Siegellack fast noch wichtiger als die Flasche selbst.«
Daheim ist daheim
Der Räuber Hotzenplotz freute sich bis in die letzten Bartstoppeln. Erstens war er seit heute Mittag wieder ein freier Mann, und das war natürlich die Hauptsache; zweitens besaß er nun eine vollständige Polizeiuniform – ein Umstand, den er beruflich nach besten Kräften zu nutzen gedachte; und drittens, das mußte er Kasperls Großmutter lassen, hatten ihm ihre Bratwürste und das Sauerkraut ganz verteufelt gut geschmeckt.
»Wenn es nun mit der Höhle auch noch klappt, kann ich wirklich zufrieden sein«, dachte er.
Die Uniform des Herrn Oberwachtmeisters Dimpfelmoser paßte ihm auf den Leib wie für ihn geschneidert. Die eigenen Sachen trug er zu einem Bündel verschnürt unterm linken Arm; in der Rechten schwenkte er den erbeuteten Säbel wie einen Spazierstock.
Während er durch den Wald schritt, pfiff er laut und nicht immer ganz richtig sein Leib- und Magenlied:
»Lustig ist das Räuberleben
In dem grünen Wald, juchhei!
Da braucht niemand achtzugeben
Auf die Polizei-zwei-drei!
Da braucht niemand achtzugeben
Auf die Polizei!«
Weil er sich Zeit ließ, brauchte er nahezu anderthalb Stunden, bis er zu Hause ankam. Wie nicht anders erwartet, war der Eingang zu seiner Höhle mit Brettern zugenagelt. Am Türpfosten hing ein handgeschriebenes Schild mit der Aufschrift:
Polizeilich vernagelte Räuberhöhle
Unbefugte Entnagelung strengstens verboten! Wer es dennoch tut, wird bestraft.
Die Ortspolizeibehörde
Dimpfelmoser
Oberwachtmeister
Hotzenplotz rieb sich augenzwinkernd die Hände.
»Bis hierher ist alles in schönster Ordnung. Mal sehen, ob wir auch weiter Glück haben . . .«
Andere Räuber pflegen sich für den Fall, daß ihr Schlupfwinkel eines Tages entdeckt wird, Zweithöhlen anzulegen, in die sie dann ausweichen können. Nicht so der Räuber Hotzenplotz.
»Wozu eine Zweithöhle?« hatte er sich gefragt. »Die erste tut es genauso. Das einzige, was man braucht, ist ein zweiter Zugang, den niemand kennt. Man muß es nur schlau genug anstellen, dann ist alles ganz einfach und bombensicher.«
Nachdem er sich vergewissert hatte, daß er von niemand belauscht
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