Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity
fanden uns bald draußen vor dem Bahnhof wieder, wo unser Gepäckträger bereits eine Droschke für uns reserviert hatte. Es dauerte nicht lange, und wir ratterten davon.
»Es wird eine kurze Fahrt werden!« Lefebre war geziemend außer Atem von der Anstrengung. »Wir werden ein paar alte Stadtmauern sehen, aber nicht das große Bar Gate, wie ich fürchte. Das ist zu schade. Vielleicht finden Sie ja eine Gelegenheit, die Stadt zu besichtigen, bevor Sie Hampshire wieder verlassen.«
»Das wäre schön, ja«, stimmte ich zu.
Lefebre beugte sich in meine Richtung vor. Ich erwartete, dass er seine Rolle als Führer fortsetzen würde, doch er hatte etwas anderes im Sinn. Er räusperte sich und sagte: »Ich bin froh, dass sich diese Gelegenheit zu einer privaten, wenngleich kurzen Unterhaltung ergeben hat, bevor wir in Shore House eintreffen. Bezüglich Mrs. Craven, meine ich.«
Ich war nicht sicher, ob mir sein Ton gefiel. »Mr. Charles Roche, Mrs. Cravens Onkel, der mich zur Gesellschafterin seiner Nichte bestellt hat, hat mir berichtet, dass sie seit ihrer kürzlichen Niederkunft sehr bedrückt ist«, sagte ich vorsichtig. »Deswegen ist er der Meinung, dass sie jemanden braucht, der ihr Gesellschaft leistet. Ihr Ehemann ist im Ausland, wenn ich richtig informiert bin.«
Dr. Lefebre winkte irritiert ab. Ich nehme an, er war es nicht gewöhnt, unterbrochen zu werden. »Mrs. Craven leidet an Melancholie. Die Ursache ist der Verlust ihres Kindes wenige Tage nach der Geburt.«
Einige Sekunden lang herrschte Stille. Ich wollte nicht, dass er mich erneut mit einem ungeduldigen Abwinken unterbrach. Diesmal jedoch schien er auf einen Kommentar meinerseits zu warten, und so fragte ich schließlich: »Sind Sie gekommen, um sie zu behandeln, Doktor?«
Er zögerte. »Nein, nein«, räumte er schließlich ein. »Ich bin im Auftrag von Mr. Roche dort, um eine Einschätzung der Situation vorzunehmen. Er ist zurzeit außerstande, selbst nach Hampshire zu fahren. Ich kenne Roche seit einer Reihe von Jahren.« Er lächelte flüchtig. »Wir französischen Exilanten halten zusammen.«
Ich muss ihn verwirrt angesehen haben, denn er fügte hinzu: »Unser beider Familien sind hugenottischer Abstammung.«
Ich verdaute diese Information und fragte mich, ob er versuchte, mir auf diesem Weg zu beweisen, dass er tatsächlich ein enger Freund des Mannes war, der mich eingestellt hatte. Warum? Damit ich unbekümmerter drauflosplapperte?
Er räusperte sich erneut auf jene Weise, mit der er, wie ich inzwischen wusste, meine Aufmerksamkeit zu erwecken trachtete.
»Sie sollten wissen, dass Mrs. Cravens Melancholie eine besondere Form von Wahnvorstellung beinhaltet.«
Er wartete erneut auf einen Kommentar meinerseits, doch ich lernte rasch, dieser Art von Spiel auszuweichen. Er mochte Arzt sein, doch ich war nicht seine Patientin. Ich war nicht hier, um ihm meine Gedanken und Ängste zu beichten – ganz im Gegenteil!
Mein Schweigen brachte ihn schließlich dazu weiterzureden.
»Sie kann den Tod ihres Kindes nicht akzeptieren.«
Ich hatte vorgehabt, meine Meinung für mich zu behalten, doch die Unverblümtheit dieser schockierenden Feststellung entlockte mir einen lauten Ausruf. Sie sandte außerdem einen alarmierten Schauer über meinen Rücken. Die Tragödie war offensichtlich weit größer, als mir gegenüber angedeutet worden war. Zum ersten Mal fragte ich mich ernsthaft, warum ich wirklich nach Shore House geschickt worden war. Sollte ich eine Freundin und Vertraute der jungen Frau sein, um sie zu unterstützen? Oder sollte ich sie dazu bringen, die traurige Wirklichkeit vom Tod ihres Kindes zu akzeptieren? Das wäre eine schwierige und delikate Aufgabe, und eine Fremde wie ich wohl kaum die richtige Person dafür. Und wie war ihr Geisteszustand zu bezeichnen? Diese letzte Frage stellte ich meinem Reisebegleiter unverblümt.
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß genauso wenig wie Sie, Miss Martin. Ich bin Mrs. Craven noch nie begegnet. Ich weiß nur das, was man mir erzählt hat.«
»Ich habe keine Erfahrung in der Pflege von Kranken«, sagte ich entschieden.
»Das ist, soweit ich informiert bin, wohl auch nicht erforderlich«, lautete seine kühle Antwort. »Ah, wir sind bei den Docks.«
Die kurze Unterhaltung hatte mich nervös gemacht, doch als wir am Kai aus unserer Droschke stiegen, hatte ich sie schon wieder vergessen. Hinter uns ragten die hohen, antiken Stadtmauern auf, und darunter verlief eine Promenade am Ufer
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