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Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity

Titel: Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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hinten an einer schlüpfrig aussehenden Plattform im Schatten des Landestegs hoch oben festgemacht. Es war ein kleiner eiserner Raddampfer mit einem hohen Schornstein. Hoch oben neben dem Schornstein, mit einer Hand am Ruder und auf gleicher Höhe mit uns, weil das Schiff wegen der Ebbe so tief lag, stand eine maritime Gestalt. Ihre Haut war gegerbt von den Einwirkungender Elemente und so braun wie Teakholz. Unser Kapitän, wie ich annahm. Er beobachtete das Durcheinander an Land und den über eine Holzrampe nach unten an Bord strömenden Mob mit wohlwollendem Blick. Direkt unter seinem Ruderstand befand sich ein überdachter Bereich, anscheinend eine Art Salon für die betuchteren Passagiere. Andere verteilten sich in geübter Manier überall auf dem Deck.
    Die Stützbalken des Piers waren genau wie die Molenmauer übersät von schwarzem Seetang und Muscheln. Der Geruch hier unten war sehr viel stärker und keineswegs angenehm. Das an die Balken schwappende Wasser roch stark nach Kanalisation. Alle Arten von Kehricht schwammen auf seiner Oberfläche und sammelten sich um die Piers.
    Inzwischen waren bereits so viele an Bord gegangen, dass ich befürchtete, es wäre nicht mehr genügend Platz für uns, und so beeilte ich mich, der Menge zu folgen. Unser Gepäck war jedenfalls schon an Bord. Ich konnte Albert sehen, der es ordentlich auf dem der Mole zugewandten Vordeck stapelte. Die Rampe wackelte und zitterte, und ich hielt mich am Geländer fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Eilige Passagiere hinter mir schoben mich immer weiter vorwärts. Unten am Fuß der Rampe war es kaum besser. Ein schmaler Laufsteg überbrückte die Lücke zwischen der Steinplattform am Fuß der Rampe und der schwankenden Fähre. Ein kleiner Junge stand vor dem Laufsteg und nahm die Fahrscheine der Passagiere in Empfang. Von dort aus überbrückten sie kreischend und kichernd und quiekend den Abgrund, um in einem kunterbunten Durcheinander auf Deck anzukommen. Ich raffte meine Röcke und landete mit einem athletischen Sprung unsicher auf dem ersten Schiff, das ich in meinem ganzen Leben jemals betreten hatte.
    »Setzen Sie sich hierher, Ma’am«, empfahl mir Albert, indem er mich am Arm fasste und mit der freien Hand auf eine Holzbank neben unserem Gepäck deutete. »Der Salon ist bereits voll.«
    Rasch setzte ich mich auf den freien Platz, bevor jemand anders unsere Bank in Beschlag nehmen konnte, und blickte, besorgt nach meinem Reisebegleiter Ausschau haltend, zurück an Land. Dr. Lefebre kambereits die Rampe hinunter. Mit einer Hand sicherte er seinen Zylinderhut auf dem Kopf; in der anderen erblickte ich die kleinen, weißen Fahrscheine. Bei seinem Eintreffen vor dem Laufsteg hielt er dem Knaben die Fahrscheine hin. Der Bursche war so beeindruckt von der stattlichen Erscheinung seines gut gekleideten Fahrgastes, dass er ihn volle zwei Sekunden lang anstarrte, bevor er nach den Tickets schnappte. Ein wenig außer Atem, doch ansonsten unerschütterlich wie zuvor, traf Dr. Lefebre Augenblicke später bei uns ein und nahm auf der Holzbank neben mir Platz.
    »Da wären wir, Miss Martin. Ich frage mich, welche Abenteuer uns sonst noch erwarten, bevor wir in Shore House ankommen.«
    Eine Glocke wurde geläutet. Albert zog den Laufsteg ein und schloss das Gatter in der Reling. Die Dampfmaschine brüllte, und aus dem Schornstein quoll dichter, weißer Rauch. Die Schaufelräder fingen an sich zu drehen und wirbelten das Wasser auf. Wir entfernten uns vom Ufer – rückwärts.
    Fast zur gleichen Zeit beschrieb unser Schiff einen Halbkreis, bis wir in die richtige Richtung zeigten und die Küste von New Forest auf der anderen Seite vor uns lag. Der Doktor und ich wandten uns dem Wind und der Sonne zu. Ich überlegte, ob ich meinen Regenschirm von meinem Reisekoffer losschnallen sollte, um ihn als Schattenspender zu benutzen. Doch angesichts so vieler Menschen, die so dicht gedrängt um uns herumstanden, hätte ich ihn wohl kaum öffnen können.
    Die Schaufelräder verursachten einen gewaltigen Radau und machten jegliche Unterhaltung unmöglich. Der Wind war stärker hier draußen, je weiter wir in die Mitte des Wassers kamen. Dr. Lefebre zückte einmal mehr sein weißes Seidentuch, faltete es in Form einer Bandage und band es über seinen Zylinder und unter seinem Kinn zusammen. An jedem anderen hätte es lächerlich ausgesehen – an ihm wirkte es einfach nur praktisch. Oder jedenfalls erschien es mir so. Andere sahen es wohl

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