NeuGier
Augen sei.
Das war kein Spruch gewesen, mit dem er sie hatte rumkriegen wollen, sondern die Ankündigung eines Vorhabens, das er kurze Zeit später umsetzte. Die taubenblauen Bilder zeigten fast alle Kate. Taten sie es nicht, standen sie im Zusammenhang mit ihr oder waren inspiriert von den Orten, an die sie einander entführt hatten.
Dies alles schien eine Ewigkeit her zu sein.
***
Zuhause angelangt, nahm Kate ihr Handy und wählte Jills Telefonnummer. Zwar weinte sie nicht mehr, doch sie war noch immer aufgewühlt. Sie brauchte keinen Ratschlag und würde von Jill nicht wirklich einen bekommen, im Gegenteil. Eher einen Tritt in den Hintern. Sie musste Jill einfach sehen und sich von der Seele reden, was sie gerade erlebt hatte.
Bei allen Versuchen wies sie eine automatische Ansage darauf hin, dass die angerufene Person nicht erreichbar war. Kate fiel die neue Nummer ein, die sie am Vortag notiert hatte, und schimpfte auf der Suche nach dem Zettel vor sich hin, weil Jill ständig ihre Telefonnummern änderte – genau genommen immer dann, wenn sie eines Lovers überdrüssig war.
Endlich fand sie den Zettel, tippte die Nummer ein und atmete erleichtert durch, als sie das Klingelzeichen hörte. Dass sich statt Jill ein Mann meldete, irritierte sie.
»Oh, Entschuldigung«, stotterte sie. »Da habe ich wohl eine falsche Nummer.«
»Das liegt im Auge des Betrachters«, lautete die prompte Reaktion, die Kate nur mit Schweigen zu quittieren wusste.
»Meine Nummer erscheint mir selbst nämlich ganz richtig«, fuhr die Stimme amüsiert fort. »Wen wollten Sie denn sprechen?«
»Jill.« Noch während Kate ihm diese Info gab, schüttelte sie den Kopf über sich. Was wusste er mit diesem Namen schon anzufangen. »Bei Ihnen erreiche ich sie wohl nicht, oder?«
»Nein, eher nicht. Hätte ich auch gegen die Gesellschaft einer Jill nichts einzuwenden.«
»Okay«, beeilte sie sich zu sagen und grollte im Stillen, weil er sich offenbar für besonders witzig hielt. »Sorry nochmals!« Sie beendete das Gespräch, ohne ein weiteres Wort von ihm abzuwarten.
Nachdem sie die notierte Nummer mit der eingetippten verglichen hatte und sichergegangen war, dass sie identisch waren, schnappte sie sich ihren Autoschlüssel, um zu Jill zu fahren.
Jill lebte am Stadtrand und es dauerte eine Viertelstunde, in der Kate jede rote Ampel verfluchte, bis sie vor dem kleinen Reihenhaus einparkte. Mit einiger Ernüchterung stellte sie fest, dass alle Fenster dunkel waren. Sie klingelte, doch wie befürchtet, war Jill nicht zu Hause.
Auf dem Heimweg versuchte Kate sich damit abzufinden, dass sie ihre Sorgen heute nicht loswerden würde, doch sie wählte, sobald sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, die zuletzt im Protokoll gespeicherte Nummer noch einmal an. Vielleicht, so hoffte sie, hatte es lediglich einen Fehler beim Verbindungsaufbau gegeben.
»Jill ist noch nicht eingetroffen«, informierte sie dieselbe Männerstimme. »Ich kann mich bei Ihnen melden, sobald sie hier aufkreuzt.«
Kate plumpste in einen Sessel. »Ach, verflixt! Tut mir leid!«, sagte sie und klang dabei offenbar verzweifelter, als ihr bewusst war.
»Nicht so schlimm«, antwortete er und schien verunsichert, weil sie sich nicht gleich wieder verabschiedete. Dabei war sie mit dem Ohr zwar noch am Telefon, mit den Gedanken aber ganz woanders. »Also, falls ich sonst nichts für Sie tun kann …«
Seine vage Formulierung holte sie zurück in die Realität. »Nein, natürlich nicht … also dann …«
»Natürlich nicht?« Schon wieder klang er belustigt. »Wieso ist es so ausgeschlossen? Zumindest könnte ich mit Ihnen plaudern bis Jill da ist … bei einem von uns.«
Kate schluckte einen genervten Laut. »Das ist ein verlockendes Angebot, aber ich werde es ausschlagen müssen.«
»Warum, wenn es verlockend ist?«
»Weil ich zu tun habe. Und jetzt lege ich …«
»Zu tun zu haben scheint nicht gerade ein Vergnügen zu sein, dem man an einem Freitagabend nachgeht«, fiel er ihr ins Wort. »Sondern eher eine Verpflichtung.«
Nun klang er provokativ. Kate beschloss, ihm im gleichen Ton zu antworten.»Und Ihnen ist langweilig … an einem Freitagabend?«
»Absolut nicht. Ich unterhalte mich ganz ausgezeichnet.« Ihrem nächsten Einwurf vorbeugend, fuhr er fort: »Ich trinke Wein, höre Musik und überlege, ob ich in einen Club gehe oder den Abend so lasse, wie er ist.«
»Ah, ja. Na dann will ich Sie in Ruhe Wein trinken und überlegen lassen …«,
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