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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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bis 16.00 Uhr für alle Pflicht, und sie ist natürlich kostenlos. Es wird niemanden verwundern, dass ich mich konsequent für den gebundenen Ganztagsunterricht ausspreche und alle kleineren oder größeren Schummeleien (das Angebot geht nur bis 15.00 Uhr, der verlängerte Betrieb ist nur an einigen Tagen eingerichtet) als Etikettenschwindel ablehne. Ganztagsschule heißt aber nicht ganztags pauken. Dann würden die Schüler schnell die Lust verlieren. Gefordert ist ein Konzept zum Wechsel zwischen Unterricht und Freizeit (außerunterrichtliche Aktivitäten). Eigentlich gehören ein Freizeitgebäude und eine Mensa zur selbstverständlichen Ausstattung.
    Wer für Ganztagsschule ist, der ist bei der CDU / CSU falsch. Die SPD hält hier nach wie vor die Fahne hoch. An dieser Stelle ist sie noch nicht eingeknickt wie bei den Kindertagesstätten. Erst 2011 hat die SPD ein Programm vorgelegt, in dem sie 7000 neue Ganztagsschulen bis 2015 verspricht. Bis zum Jahr 2020 sollen dann alle übrigen Schulen zu Ganztagsschulen erweitert werden mit dem Ziel, einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Ganztagsschule zu schaffen.
    Wie sollte es anders sein – natürlich gibt es auch Widerstände gegen die Umstellung aller Schulen auf einen Ganztagsregelbetrieb. Sie kommen erwartungsgemäß aus dem bürgerlichen Lager. In der Theorie sind wir uns ja immer alle sehr schnell einig. »Überwindung sozialer Schranken, Chancengleichheit für alle und langes, gemeinsames Lernen«, so lauten dann immer die Fanfarenstöße. Viele denken aber noch einen Halbsatz hinzu, der da lautet: »… aber natürlich nicht mit meinem Kind.« Ich erinnere an das Fiasko der Verlängerung der Grundschulzeit von vier auf sechs Jahre in Hamburg. Da haben die Häuser mit dem Blick auf die Elbe einmal gezeigt, wie das so ist mit der Übereinstimmung von Reden und Handeln.
    Der Vollständigkeit halber erwähne ich, dass bei der bereits zitierten Online-Umfrage von Berger/Bertelsmann 81   % der Befragten für die Ganztagsschule votiert haben. 42   % als Pflicht und 38   % als freiwilliges Angebot.
    Das hört sich alles gut an, weist nach vorne, und jedes Auditorium nickt beifällig. Wir sollten aber nicht vergessen, dass auch Lehrer mitunter den Drang verspüren, den Weg des Wassers zu wählen. Es ist ein Irrglaube, davon auszugehen, dass alle Kollegien Jubelschreie bei dem Angebot ausstoßen, eine Ganztagsschule zu werden. Erst im Jahr 2012 hatte ich das Erlebnis, dass ein Kollegium die Idee wenig prickelnd fand. Arbeitszeit bis 16.00 Uhr? Igitt, igitt! Außerdem kenne man viele Eltern in der Umgebung, die gar keine Ganztagsschule wünschten. Deshalb trete man für Angebotsvielfalt ein. Bla, bla, möchte man nur sagen. Die zuständige Schulaufsicht erklärte daraufhin, gegen den Willen des Kollegiums, ja, da könne sie auch nichts machen. Ein schönes Beispiel dafür, wie Theorie und Praxis auseinanderklaffen.
    Die Schulorganisation ist sicherlich das eine, aber die Binnenstruktur ist der andere Baustein, der zu einem verbesserten Output führen muss. Auch an dieser Stelle leben wir immer noch mit dem Aufbau von vor Jahrzehnten. Es gibt Lehrer, eine Leitung, einen Schulrat als Aufsicht und ein Bildungsministerium. Und alles schön hierarchisch von oben nach unten organisiert. Dieser Zentralismus führt natürlich dazu, dass die Dinge nach Schema F beurteilt und gestaltet werden. Schule ist Schule. Nein, ist sie eben nicht! Auch Schule muss sich anpassen. In gutbürgerlichen Bezirken heißt der Gegner Wohlstandsverwahrlosung, und die Schulleitung muss sich mit der Klage von Vati Rechtsanwalt gegen die 4 minus in der Physikarbeit herumschlagen. Bei mir in Neukölln heißt der Gegner in vielen Fällen Bildungswüstenei und Asozialität. Beide Formen erfordern unterschiedliche Reaktionen. Persönlichen Vulgärattacken muss man anders begegnen als akademischer Schaumschlägerei.
    »Bildungseinrichtungen in Stadtteilen mit besonderem Handlungsbedarf bedürfen einer besonderen Ausstattung – materiell und personell. Neben Schulsozialarbeit und Ergänzungsdeputaten ist es hier zwingend erforderlich, zügig Ganztagsangebote vorzuhalten«, so schreibt es der Regierende Bürgermeister. Darunter verstehe ich, dass eben Schule im sozialen Brennpunkt nicht gleich Schule in der Schlafstadt ist. Die besten Lehrer, so sagt man immer wieder, sollen zu uns nach Neukölln. Und die Schulen sollen die besten Profile haben, um das Wegziehen der Eltern zu verhindern. Und die

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