Neukölln ist überall (German Edition)
sozioökonomische Entwicklung des Stadtteils zu äußern. Alle drei Gutachten sind im Netz unter www.berlin.de/ba-neukoelln/derbezirk/neukoellner_gutachten.html einseh- und abrufbar. Ich verzichte an dieser Stelle auf weitschweifige Wiederholungen aus den Gutachten. Dies schon aus dem Grunde, weil ihre Datenlagen aus 2005 bis 2009 inzwischen als veraltet anzusehen sind. Die Veränderungen vollziehen sich so rasant, dass es nicht adäquat erscheint, konkrete Ableitungen aus bis zu sieben Jahre alten Daten vorzunehmen. Insofern möchte ich lediglich die zentralen Ergebnisse wiedergeben, zu denen Prof. Dr. Häussermann gekommen ist.
Die Unterschiede im sozialen Status innerhalb Neuköllns haben sich nicht erst in jüngster Zeit herausgebildet, sondern bestehen bereits mindestens seit 2001.
Innerhalb Neuköllns zeigen die Gebiete mit einem hohen sozialen Status eine günstige Entwicklungstendenz, während die Gebiete im nördlichen Neukölln mit sehr niedrigem Status eine negative Dynamik aufweisen. Damit zeichnet sich eine größer werdende Ungleichheit hinsichtlich der sozialen Problemdichte ab, und der Abstand vergrößert sich.
Infolge des Zuzugs von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft entstehen Verdrängungsprozesse durch den Wegzug der Deutschen. Seit 2001 ist eine stärkere Abwanderung von Familien mit Kindern unter sechs Jahren in den Süden Neuköllns zu verzeichnen.
Die Altbaugebiete in Neukölln üben eine anhaltende Attraktivität auf Zuwanderer aus dem Ausland aus. Die Zuzüge aus dem Ausland steigen kontinuierlich. Das Wanderungssaldo mit Bulgarien ist durchgängig positiv, mit Polen und der Türkei seit Jahren rückläufig.
Für Neukölln ist festzustellen, dass dort, wo die Probleme bereits hoch verdichtet sind, diese weiter zunehmen, während sie in Gebieten mit einer niedrigen Problemdichte nicht zunehmen. Wenn heute die Hälfte der Neuköllner Bevölkerung sogar am Rand der sozialen Ausgrenzung steht, dann werden das in zehn bis 15 Jahren ohne einsetzende Intervention zwei Drittel bis drei Viertel sein. Der Zustand für die Eingriffsebene Prävention ist in Neukölln längst überschritten. Es besteht dringend stärkerer Interventionsbedarf der Landespolitik.
Die Dichte der sozialen Probleme in Neukölln-Nord ist etwa doppelt so hoch wie in der gesamten Stadt. Die positiven Trends kommen in Nord-Neukölln nahezu flächendeckend nicht oder nur abgeschwächt an. Damit koppelt sich Nord-Neukölln von der Gesamtentwicklung Berlins ab.
Das Armutsniveau verfestigt sich in Neukölln-Nord durch einen verstärkten Zuzug von Arbeitslosen.
(Anmerkung d. Verf.: Ein aktuelles Gutachten von TOPOS über die Zuzüge im Jahre 2011 hat den anhaltenden Trend bestätigt. Etwa 50 % aller Zuziehenden nach Neukölln verfügen lediglich über ein Einkommen unterhalb des Durchschnitts der Gesamtberliner Bevölkerung.)
Neukölln ist das Zentrum der Aufstocker, die mit ihrer Arbeit nicht genug verdienen und daher zusätzlich auf Hartz IV angewiesen sind. Es zeigt sich, dass die Beschäftigung im Niedriglohnbereich hier am stärksten vertreten ist.
Die Entwicklung der Kinderarmut ist erschreckend. Während sie im Berliner Durchschnitt sinkt, steigt sie in Neukölln an. Von 18,9 % im Jahr 2001 auf 54,6 % im Jahr 2009. In Nord-Neukölln belaufen sich die Spitzenwerte auf 74,6 % und 75,2 % in einzelnen Gebieten.
Spätestens seit Vorliegen der Gutachten war die Diskussion um die Validität der Neuköllner Aussagen beendet. Für Fachleute hingegen waren die Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. Häussermann keine Überraschung, bestätigten sie doch nur, was er bereits mehrfach bei seinen Forschungen über die sozio-ökonomische Entwicklung von ganz Berlin festgestellt hatte. Immer wieder hatte er sorgenvoll versucht, den Prozess des sozialen Auseinanderdriftens Berlins ins Bewusstsein zu rütteln. Ein Beispiel hierfür ist das Monitoring der sozialen Stadtentwicklung 2007. Seine damaligen Forschungsergebnisse veranlassten ihn zu folgenden Feststellungen:
»Wedding und Neukölln sowie Moabit haben Kreuzberg als Gebiet mit der höchsten Problemdichte abgelöst. Dies sind Entwicklungen, die seit längerem zu beobachten sind, und die durch die bisherigen Interventionsversuche nicht wesentlich verändert werden konnten …«
»Vergleicht man die Anteile von nicht-erwerbsfähigen Empfängerinnen und Empfängern von Existenzsicherungsleistungen an den unter 15-Jährigen mit den Anteilen der
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