Neukölln ist überall (German Edition)
solche Auseinandersetzungen der Selbstjustiz nicht mehr vorbereitet und auch nicht mehr eingerichtet. Ich finde, das ist auch gut so. Wir sind über dieses hirnlose Gesetz der Straße »Recht hat der Stärkere« hinaus. Insofern bedaure ich die Unterlegenheit der deutschen Jugendlichen nicht, sondern ich kritisiere, dass unsere Gesellschaft diese anarchistischen Zustände auf unseren Straßen kommentarlos hinnimmt. Ja, nicht nur das, sondern sie auch schönredet oder verschweigt.
Ein Beispiel hierfür war die Diskussion an einer Neuköllner Schule über Deutschen-Mobbing. Die Sache kam ans Licht der Öffentlichkeit, als die Lehrer in der Zeitung der GEW darüber berichteten. Die öffentliche Reaktion war klar, und alle bekamen Fracksausen. Es sei alles nur ein Missverständnis gewesen, natürlich gebe es kein Deutschen-Mobbing an der Schule. Wenn Sie in der Schule fragen, gibt es natürlich auch keine Religionswächter an der Tür zur Cafeteria, die darauf achten, wer während des Ramadan isst und wer Schinkenbrötchen kauft. Das Bedienungspersonal allerdings erzählt nahezu unglaubliche Storys. Auch die Schulleitung weiß nette Geschichten zu berichten, wenn sie sicher ist, dass niemand weiteres zuhört und Vertraulichkeit vereinbart wird. Der Alltag in unseren Schulen ist mitunter schon recht rustikal. Mehr dazu später.
Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für die ganz normalen Menschen brechen. Jene Menschen, die schweigen. Nicht, dass sie Angst vor persönlicher Bedrohung haben, nein, sie haben sich ergeben. Junge Familien, Einwanderer wie Deutsche, ziehen fort, und die Alten ziehen sich zurück. Was man für ein dickes Fell haben muss, merke ich auch immer wieder an der eigenen Person. Ich muss nur den leisesten Hauch von Kritik an Einwanderern äußern. Sofort kommen die Moralkeule und die Feststellung, dass ich ein Rassist und Volksverhetzer sei. Manchmal wird der Hauch auch konstruiert. Viele haben darauf keine Lust mehr und deswegen gelernt, den Mund zu halten. Daher finden Fernsehsendungen auch nur noch schwer aktive Pädagogen, die vor der Kamera die Realitäten an ihrer Schule ausbreiten. Sie werden anschließend derart mit Hass überzogen und geschnitten, dass sie sich nie wieder aus der Deckung wagen. Die Einschüchterung funktioniert. In Sachen Integration haben wir fast eine Wand des Schweigens wie in der ehemaligen DDR . Dort bildete die Staatssicherheit die Drohkulisse. Hier ist es ein Kartell aus ideologischen Linkspolitikern, Gutmenschen, Allesverstehern, vom Beschützersyndrom Geschädigten und Demokratieerfindern, das den Menschen das Recht abspricht zu sagen, was sie denken. Richtig stolz bin ich auf die Neuköllner Bevölkerung. Es gibt bei uns keine Gegenbewegung zu den etablierten Parteien und zu unserer demokratischen Gesellschaftsordnung. Die Rechtsradikalen haben, wie erwähnt, bei den letzten Wahlen 2011 nur noch ein Viertel ihres Wählerpotentials von 1989 erreicht.
Kennen Sie den Begriff der Opferrolle? Die Opferrolle kann Ihnen begegnen bei jemandem, der schwächer als andere ist und dadurch zum beliebigen Spielball der Stärkeren wird. Die Opferrolle kann aber auch darin bestehen, dass man nie etwas für das kann, was man getan hat, weil alle anderen schuld sind. Man ist somit das Opfer der Gesellschaft, von Diskriminierung, von Benachteiligung, Beleidigung oder auch einfach der Tatsache, dass man in Deutschland leben muss. Das Schlimmste, was einem Menschen auf dieser Welt passieren kann, ist, dass ihn die Winde des Lebens nach Deutschland verschlagen. Das führt zur sofortigen Traumatisierung. Ich habe bei Diskussionsveranstaltungen allen Ernstes leidenschaftliche Äußerungen zur Kenntnis nehmen müssen, dass die deutsche Gesellschaft so schlecht und verdorben ist, dass sie integrationsfeindlich ist, die Kinder der Einwanderer behindert und nicht vernünftig ausbildet und dass eigentlich alle Einwanderer nur schlecht behandelt und ausgebeutet werden. In solchen Momenten geht mir nur eine einzige Frage durch den Kopf: Warum belasten sich diese freien und engagierten Menschen mit einem Leben der so empfundenen modernen Sklaverei in Deutschland?
Wenn ich Menschen, die jahrzehntelang im Land leben, bei der Einbürgerung frage, warum sie kein Deutsch sprechen, obwohl es doch ihre Kinder fließend beherrschen und sie parallel hätten mitlernen können, lautet die Antwort meist: »Ich war viel krank.« Wenn Sie jemanden fragen, warum das Kind nicht in den Kindergarten geht, dann
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