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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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zum Jahr 2011 sank diese Zahl wieder, auf 44. Trotz des Rückgangs in den letzten vier Jahren ist die Steigerung bezogen auf 1990 immer noch beträchtlich. Nicht übersehen darf man auch die Zunahme der Schwere und Brutalität sowie den inzwischen fast obligatorischen Einsatz von Waffen bei den Delikten.
    Jugendkriminalität ist nichts Neues. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle ist es eine Episode in bestimmten Phasen des Heranwachsens. Auch ist Jugendkriminalität ähnlich wie ein Eisberg. Nur ein geringer Teil ist für die breite Öffentlichkeit sichtbar: Im Wesentlichen spielt sich der Hauptteil unter Jugendlichen ab, also ohne Aufmerksamkeitsfaktor für die älteren Generationen. Der direkte Kontakt ist auf die Jugendlichen selbst und auf ihre Angehörigen beschränkt.
    Etwa 85   % aller jugendlichen Ersttäter erscheinen ein-, maximal zweimal vor Gericht und sind dann im Spektrum des allgemeinen Umgangskodexes eingenordet. Typische Delikte des Ausprobierens, wie denn das Leben so ist, sind Schwarzfahren, Ladendiebstahl oder Fahren ohne Führerschein. Also keine wirklichen Aufreger.
    Bei den 192 jugendlichen Serienstraftätern sieht das schon anders aus. Diese setzen sich aus Intensivtätern ab zehn Straftaten von erheblicher Bedeutung, Schwellentätern mit fünf bis neun Straftaten und kiezorientierten Mehrfachtätern zusammen, die auf dem Weg zum Schwellen- und Intensivtäter sind. Die Zahl von rund 200 Serienstraftätern hält sich seit Jahren konstant. Bemerkenswert ist nur der rasante Anstieg der letzten Jahre. Aus 48 Serienstraftätern 2004 hat sich die genannte Zahl in einem relativ kurzen Zeitraum entwickelt.
    Der Anteil der Einwandererkinder an diesen Serienstraftätern variiert von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2012 beträgt er 93   %. Bei ihrem Gesamtanteil an jungen Leuten in ihrem Alter von 65   % ist dies ein deutliches Übergewicht. Das deckt sich auch mit der Kriminalitätsstatistik generell. Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist deutlich stärker in das kriminelle Geschehen verwickelt als die bio-deutsche. An der Spitze stehen rumänische Staatsangehörige, die rund neunmal stärker als Tatverdächtige erfasst sind, als ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt. Die zweite Stelle mit einer fünffach stärkeren Beteiligung nehmen vietnamesische Staatsangehörige gemeinsam mit libanesischen Staatsangehörigen ein. Polnische, russische und türkische Staatsangehörige sind ebenfalls überproportional registriert, allerdings im weiten Abstand zu den drei Spitzenreitern. Im Berliner öffentlichen Personennahverkehr geschehen täglich rund 100 Straftaten, davon 19 Gewaltdelikte. In unseren Schulen sind es fünf Straftaten, davon jeden Tag eine gegen einen Lehrer.
    Die vorstehende Auflistung dient lediglich der Vervollständigung. Von Bedeutung ist im Prinzip nur, dass 3000 Intensivtäter mit einem Anteil von einem Promille an der Berliner Bevölkerung 20   % aller Straftaten begehen. Im Zusammenhang mit der Thematik unseres Buches ist die höhere Präsenz von Einwanderern im kriminellen Milieu ein Puzzleteil, das zu einer negativen Gesamteinstellung in der Bevölkerung führt.
    Ich reise seit vielen Jahren durch die Bundesrepublik und halte Vorträge über Einwanderung, über die Probleme bei der Integration und über die Dinge, die ich an der deutschen Politik vermisse, um diese Integrationshemmnisse zu beseitigen. Mir ist dabei sehr, sehr selten wirkliche Aggressivität begegnet. Die Hauptreaktionen waren Betroffenheit und Hilflosigkeit. Betroffenheit über den von mir referierten gesellschaftlichen Prozess mit dem gegenwärtigen Stand, und Hilflosigkeit ob der Frage: Was können wir zur Abhilfe beitragen? Ich war immer wieder überrascht über die Anteilnahme. Meine Zuhörerinnen und Zuhörer verstanden sehr wohl die Botschaft, und es ging letztlich stets um die Frage, wie wir ein Fortschreiten der Fehlentwicklungen verhindern können. Ich kann mich nicht erinnern, auch nur ein einziges Mal den Satz Einfach alle rausschmeißen! gehört zu haben. Ein Satz, den ich allerdings häufig vernommen habe, lautet: Wir erwarten nichts weiter, als dass sich die Einwanderer, Zuwanderer, Migranten, Ausländer oder welche Bezeichnung jeder wählt, an die Regeln halten, die für uns alle in diesem Land gelten; wir erwarten, dass Menschen, die zu uns kommen, getragen sind von dem Wunsch, gemeinsam mit uns zu leben. Wenig bis kein Verständnis wurde der Aussage entgegengebracht, dass ein

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