Neun Tage Koenigin
dass ich sie wieder mit in den Laden nehme?“, fragte ich.
„Nein, das nicht! Sie passt ja perfekt dorthin. Ich wünschte nur, sie würde ticken“, sagte sie fast schmollend.
Ich griff nach der kleinen Kiste zu meinen Füßen, in der ich die Uhr mitgebracht hatte und außerdem noch ein paar alte Ausgaben von Shakespeares Werken, einige Zinnleuchter und eine Wedgewood-Vase. „Du kannst ja eine CD mit Soundeffekten kaufen und dann eine tickende Uhr als Endlosschleife laufen lassen“, scherzte ich.
Mit kindlicher Entschlossenheit im Blick drehte sie sich zu mir um und sagte: „Was meinst du, ob es wohl schwierig ist, so eine CD aufzutreiben?“
„Das war nur ein Scherz, Mama! Schau dir doch nur an, womit du dich dann zufriedengeben müsstest!“, meinte ich und deutete auf die Stereoanlagenattrappe, die sie in einem Lackphonoschrank hinter uns aufgebaut hatte. Meine Mutter verwendete nie echte Elektrogeräte in den Häusern, die sie zum Verkauf herrichtete, obwohl sie das bei der Klientel, mit der sie normalerweise zu tun hatte – reiche Immobilienmakler und ebenso wohlhabende Käufer und Verkäufer –, ganz bestimmt hätte tun können.
„Dann hole ich eben einen tragbaren CD-Player und verstecke ihn zwischen den Kissen am Kamin“, sagte sie achselzuckend und wandte sich dann dem angrenzenden Esszimmer zu. Der glänzende schwarze Esstisch war mit weißem Porzellan, hellgelben Leinenservietten, jeder Menge falschem Hähnchensalat, dunkelroten Plastiktrauben, Plastikcroissants und Petit Fours gedeckt. Ein Gesteck aus Weidenkätzchen schmückte die Tischmitte. „Findest du die Weidenkätzchen zu rustikal?“
Sie wollte, dass ich Ja sagte, und deshalb tat ich ihr den Gefallen.
„Mir gefallen sie dort auch nicht mehr“, meinte sie. „Ich glaube, wir tauschen sie lieber gegen die Vase mit Gerbera aus, die bei dir im Laden auf dem alten Sekretär vorne im Schaufenster steht. Ich weiß gar nicht mehr, was ich mir dabei gedacht habe, die hier zu kaufen.“ Bei diesen Worten griff sie nach den unglückseligen Weidenkätzchen. „Das Gesteck hier können wir auf den Tisch am Eingang stellen, auf dem unsere Visitenkarten liegen.“
Sie drehte sich zu mir um. „Du hast doch diesmal an deine Karten gedacht, oder? Es wäre dumm, sich all die Arbeit zu machen und dann nicht zu versuchen, dadurch auch neue Kunden zu gewinnen.“
Meine Mutter ging entschlossenen Schrittes mit den Weidenkätzchen nach vorn in den Eingangsbereich. Ich folgte ihr.
Dies war erst das zweite Haus, bei dem ich offiziell mit ihr zusammenarbeitete, um es für den Verkauf herzurichten. Beim ersten hatte ich noch keine Visitenkarten dabeigehabt, weil meine Mutter mich erst gefragt hatte, ob ich mitkommen
und ihr helfen wolle, als sie praktisch schon unterwegs gewesen war. Sie hatte mir dann aber auch sofort mitgeteilt, dass ich niemals irgendwo hingehen dürfe, ohne Visitenkarten dabeizuhaben. Nicht einmal auf die Toilette. Und dann hatte sie mich abwartend angeschaut, als wolle sie mich auffordern, sofort meinen BlackBerry zu zücken und mir ihre Anordnung zu notieren.
„Ich habe Karten dabei“, sagte ich also jetzt, griff in die Tasche meiner Caprihose und holte ein paar der Hochglanzfirmenkarten heraus. Sie waren mit der Aufschrift „Amsterdam Avenue Antiquitäten“ und dem Firmenlogo bedruckt –
drei verschnörkelten A, die wie ein keltischer Ewigkeitsknoten ineinander verschlungen waren. Ich gab sie ihr, und sie legte sie auf einen Silberteller neben ihre eigenen Visitenkarten. „Sophia Keller – Innenausstattung und Home Staging“. Die Weidenkätzchen sahen vor der hohen jutefarbenen Wand wirklich wunderschön aus.
„So, das sieht schon besser aus!“, sagte sie, als hätte sie meine Gedanken erraten. Dann drehte sie sich um und begutachtete noch einmal den Gesamteindruck des großen Raums im Erdgeschoss. Die Eigentümer des zum Verkauf stehenden Stadthauses waren in die Hamptons gezogen und verkauften ihre Immobilien in Manhattan, um mit dem Erlös einen sorgenfreien Ruhestand finanzieren zu können. Die Hälfte aller Dekorationsgegenstände – Bücher, Vasen und gerahmte Drucke – waren Leihgaben aus Tante Theas Antiquitätenladen. Meine Mutter, die seit zwei Jahren Immobilien für den Verkauf herrichtete, hatte mich ein paar Monate zuvor in ihre Firma aufgenommen, als sie gemerkt hatte, dass sich ein Haus, das mit hübschen, echten Antiquitäten dekoriert ist, schneller und leichter verkaufen lässt als eines, in dem
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