Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
Gebiet navigiert waren, beschleunigte Aiden. Das Hochgefühl, durch den Canyon zu rasen, verlieh Leonard ein Gefühl, das er niemals zuvor erlebt hatte.
Allmählich gingen die felsigen Wände des Canyons in rötliche, sanft geschwungene Hügel über und vor ihnen tat sich die Landschaft auf und flachte weiter ab. In der Ferne war Mesa County zu sehen. Am Straßenrand arbeiteten kleine Erdölpumpen in rhythmischen Bewegungen. Aiden und Leonard kamen an zwei Tarnfahrzeugen vorbei, die in die andere Richtung fuhren, und näherten sich anschließend einer Stadt, die früher unter dem Namen Palisade bekannt war.
Kurz nach Palisade war in der Ferne eine Absperrung zu sehen. Sie hatte keineswegs die Ausmaße des Westtors und schien eher eine Art Kontrollpunkt darzustellen. Riesige, willkürlich angeordnete Betonklötze versperrten fast alle Fahrbahnspuren der Interstate, nur eine blieb frei. Auf der linken Seite reichten die Betonblöcke fast dreißig Meter weit und auf der rechten Seite verliefen sie bis zur Begrenzung der glatten Sandsteinhügel. Auf dem Seitenstreifen stand eine Holzhütte als Wachposten.
Auf dem letzten Kilometer reduzierte Aiden das Tempo auf etwa fünfzig Kilometer die Stunde und kam anschließend bei dem Wachposten langsam zum Stillstand. Er machte seinen Motor aus und Leonard folgte seinem Beispiel.
Ein großer Mann in Jeans, mit grüner Windjacke und einer marineblauen Baseballmütze ging vorsichtig auf Aiden zu und hielt dabei die rechte Hand über einem Halfter an seinem Gürtel. Mit der linken Hand schob er seine Mütze höher, um etwas mehr sehen zu können. Er schien besonders interessiert an der zusammengeklappten Schrotflinte, die an Aidens Lenkstange befestigt war.
„Ach, komm schon, Victor“, rief Aiden und zog seinen Helm aus. „Glaubst du wirklich, dass ich zur Regierung überlaufen würde?“
„Aiden!“, erwiderte der Mann. „Mein Gott, sieh mal einer an. Wie lang ist es her?“
Aiden stieg von seinem Motorrad, traf den Mann auf halbem Weg und schüttelte begeistert seine Hand, bevor er ihm in die Schulter boxte. „Ungefähr ein Jahr.“
Natalia nahm ihren Helm ab, blieb jedoch auf dem Motorrad sitzen.
Victor sah kurz zu Leonard rüber, sein Blick verweilte jedoch auf Natalia. „Bist du jetzt verheiratet?“
„Mach mal halblang. Ich bin erst fünfzehn.“
Leonard stieg von der Harley und ging auf die beiden zu. „Das ist meine Tochter “, sagte er mit väterlicher Betonung. „Natalia.“
Natalia winkte schüchtern.
Victor nahm seine Mütze ab und grüßte die junge Dame. Dann wendete er sich Leonard zu und beäugte den Neuankömmling misstrauisch. „Also, was haben wir hier?“
„Neulinge“, antwortete Aiden. „Leonard und Natalia Tramer. Vater und ich haben sie am Eisenhower–Tunnel aufgegabelt.“
„Aha“, sagte Victor und sah Leonard dabei noch immer argwöhnisch an.
„Sie sind in Ordnung.“
„Bist du sicher?“
„Mein Vater hat das schon geklärt“, erwiderte Aiden selbstsicher, als ob dies die Angelegenheit aus der Welt schaffen würde.
Victor rollte seine Lippen leicht nach innen. „In Ordnung. Chester Woods nimmt so eine Sache nicht auf die leichte Schulter.“
Was du nicht sagst , dachte Leonard, aber er wusste die Entschlossenheit des Jungen zu schätzen, mit der er andere davon überzeugen wollte, ihnen zu vertrauen.
„Mr. Tramer ist ein Ingenieur.“
„Ach wirklich?“
Leonard nickte und hoffte, dass Aiden den Teil mit dem Amt für Befragungen und Verteidigung auslassen würde. „Ich helfe gerne, wo ich nur kann.“
„Das wird man von dir erwarten“, sagte Victor trocken. Dann grinste er.
Aiden drehte sich um und ging. „Wir machen uns dann mal auf den Weg“, rief er, während er sich seinem Motorrad näherte. Natalia stieg kurz ab, damit er wieder aufsteigen konnte. Dann setzte sie den Helm auf und ging mit ihrem neuen Freund wieder auf Schmusekurs.
Leonard startete die ältere Harley und Aiden ließ seinen Motor einige Male aufheulen.
Victor spielte bei ihrer Abfahrt den Pseudosoldaten und salutierte.
Nach ein paar Kilometern führte sie Aiden von der Autobahn herunter und einen Hügel hinauf. Als sie oben angekommen waren, stellten sie die Motoren aus und die Luft stand still. Leonard stieg von seinem Motorrad und sein Herz pochte, während er zum Klippenrand hinüberging. Natalia stellte sich neben ihn und nahm seine Hand. Sie blickten schweigend in das Tal hinunter, in dem die Zeichen von Zivilisation deutlich
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