Neuromancer-Trilogie
Skalpellmieze anzuheuern, die mich hier anschleppt, das ist alles. Ich werd nie mehr ein Deck anfassen, weder für Sie noch für sonstwen.« Case ging zum Fenster und blickte hinunter. »Da spielt sich jetzt mein Leben ab.«
»Laut unserem Profil willst du, dass die Leute auf der Straße dich kaltmachen, wenn du mal nicht aufpasst.«
»Profil?«
»Wir haben ein detailliertes Modell entwickelt. Haben Infos über jeden deiner Decknamen gekauft und alles durch eine militärische Software geschickt. Du bist ein Selbstmordkandidat, Case. Das Modell gibt dir noch einen Monat, höchstens. Und unserer medizinischen Analyse zufolge brauchst du spätestens in einem Jahr eine neue Bauchspeicheldrüse.«
»Wir.« Case blickte in die bleichen blauen Augen. »Wer, wir ?«
»Was würdest du sagen, wenn ich dir eröffne, dass wir deinen Nervenschaden beheben können, Case?« Armitage sah Case plötzlich an, als wäre er aus einem Metallblock gehauen: reglos, ungeheuer schwer. Eine Statue. Case wusste jetzt, das war ein Traum, aus dem er bald erwachen würde. Armitage würde kein Wort mehr sagen. Seine Träume endeten immer mit solchen Standfotos, und damit war auch der hier vorbei.
»Was würdest du sagen, Case?«
Case blickte über die Bucht hinaus und begann zu zittern. »Nichts als Scheiße, würd ich sagen.«
Armitage nickte.
»Was eure Bedingungen sind, würd ich dann wissen wollen.«
»Mehr oder weniger Routine für dich, Case.«
»Der Mann soll sich erst mal ausschlafen, Armitage«, sagte Molly von ihrem Futon aus. Die Einzelteile der Flechette waren auf der Seide ausgelegt wie ein teures Puzzle. »Er geht echt auf dem Zahnfleisch.«
»Die Bedingungen«, sagte Case, »und zwar sofort. Jetzt sofort!«
Er zitterte noch immer. Er konnte nicht aufhören.
Die namenlose Klinik war kostspielig ausgestattet und bestand aus einer Reihe gepflegter Pavillons, die durch strenge kleine Gartenanlagen getrennt waren. Er kannte die Klinik von der Runde, die er im ersten Monat nach seiner Ankunft in Chiba absolviert hatte.
»Schiss, Case. Du hast echt Schiss.« Es war Sonntagnachmittag, und er stand mit Molly auf einem hofähnlichen Platz. Weiße Findlinge, ein grünes Bambusgebüsch, schwarzer, wellig gerechter Kies. Ein Gärtner, der aussah wie ein großer Metallkrebs, machte sich am Bambus zu schaffen.
»Wird schon gutgehen, Case. Du ahnst ja nicht, was für Sachen Armitage hat. Damit diese Nervenklempner dich wieder hinkriegen, stellt er ihnen ein Programm zur Verfügung, das ihnen sagt, was sie machen müssen, und das ist gleichzeitig ihre Bezahlung. Damit haben sie einen Vorsprung von drei Jahren gegenüber der Konkurrenz. Kannst du dir vorstellen, wie viel das wert ist?« Sie hakte die Daumen in die Gürtelschlaufen ihrer Lederhose und wippte auf den lackierten Absätzen ihrer kirschroten Cowboystiefel. Die schmalen Stiefelspitzen trugen glänzende, mexikanische Silberkappen. Die leeren Quecksilberlinsen betrachteten ihn mit der Gelassenheit eines Insekts.
»Du bist ein Straßensamurai«, sagte er. »Wie lange arbeitest du schon für ihn?«
»Paar Monate.«
»Und davor?«
»Für jemand anders. Wer mich bezahlt, der kriegt mich auch.«
Er nickte.
»Komisch, Case.«
»Was ist komisch?«
»Ich hab das Gefühl, ich kenn dich. Das Profil, das er da hat. Ich weiß, wie’s in dir aussieht.«
»Du kennst mich nicht, Schwester.«
»Du bist in Ordnung, Case. Hast nur’n bisschen Pech gehabt, wie’s so schön heißt.«
»Und er? Ist er in Ordnung, Molly?« Der Roboterkrebs stakste durch den gewellten Kies auf sie zu. Sein Bronzepanzer hätte tausend Jahre alt sein können. Als er bis auf einen Meter an ihre Stiefel herangekommen war, feuerte er einen Lichtstrahl ab, hielt kurz inne und analysierte die eingegangenen Daten.
»An was ich immer zuerst denke, Case, das ist mein eigener süßer Arsch.« Der Krebs begann, ihr auszuweichen, aber sie versetzte ihm einen wohldosierten Fußtritt. Die silberne Stiefelkappe knallte laut gegen den Panzer; das Ding purzelte auf den Rücken, doch die bronzenen Gliedmaßen richteten es rasch wieder auf.
Case setzte sich auf einen Findling und scharrte mit den Schuhspitzen in den symmetrischen Kieswellen. Er durchwühlte seine Taschen nach Zigaretten.
»In deinem Hemd«, sagte sie.
»Beantwortest du mir nun meine Frage?« Er nestelte eine zerdrückte Yeheyuan aus der Packung, und Molly zündete sie ihm mit einem schmalen, deutschen Feuerzeug an, einem stählernen Ding, das
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