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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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    Varen hörte auf zu schreiben und sah auf. Starrte sie durchdringend an.
    Was? Hatte sie etwas Falsches gesagt?
    »Seine tote Geliebte«, antwortete er endlich.
    »Poes?«
    »Die des Erzählers.«
    »Ach so«, meinte Isobel und überlegte, ob das ein Unterschied war. Aber sie hielt es für besser, sich die Frage zu verkneifen. Sie schlug die Beine übereinander und setzte sich auf. »Okay, wie machen wir denn den Präsentationsteil? Muss ich die Rolle dieses toten Mädchens übernehmen?« Es sollte ein Witz sein, um Varens kratzbürstige Abwehrhaltung zu durchbrechen.
    »Du könntest nie und nimmer Lenore sein«, sagte er und wandte sich wieder seinem Gekritzel zu.
    Isobel lachte laut auf und wusste nicht so recht, ob sie das als Beleidigung empfinden sollte oder nicht. »Ach ja? Und wieso nicht?«
    »Zum einen«, antwortete er, ohne den Stift abzusetzen, »bist du nicht tot.«
    »Ach so«, warf Isobel ein, »dann wirst du also Lenore spielen?«
    Varen hob den Kopf. Isobel lächelte und wippte auf ihrem Drehstuhl vor und zurück.
    Demonstrativ setzte er den Stift ab und es entstand eine Pause, gefolgt von einem langsamen Blinzeln, bevor er weitersprach: »Du hältst die Präsentation und ich schreibe die Hausarbeit.« Er riss den obersten Zettel von seinem Schreibblock ab und schob ihn ihr hin.
    Isobel griff nach dem Blatt. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah ihm über den ausgefransten Papierrand dabei zu, wie er einen dunkellila Ordner aus seiner Tasche holte. »Schreib die hier auf«, wies er sie an, legte den Ordner zur Seite und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Buch mit dem kleinen Foto.
    Isobel zog ihre Handtasche auf ihren Schoß und wühlte darin herum, bis sie einen Stift fand.
    » Der Untergang des Hauses Usher «, las Varen vor und Isobel begann, auf das Blockpapier zu schreiben, direkt unter der Stelle, wo er bereits Wichtigste Werke hingeschrieben hatte.
    » Die Maske des Roten Todes «, sagte er und Isobel musste sich beeilen, um das Wort Usher aufzuschreiben, wobei sie allerdings das e vergaß und stattdessen ein r zu viel setzte, sodass das Wort zu Ushrr wurde.
    » Der Doppelmord -«
    »Stopp!«, rief sie und ihr Stift flog nur so über das Papier.
    Er wartete.
    »Okay«, sagte Isobel und schrieb das s am Ende von Todes fertig. Sie musste bei dem Wort unwillkürlich die Nase rümpfen. Warum fühlte sie sich, als wäre sie gerade dabei, eine Grabinschrift in Stein zu meißeln?
    » Der Doppelmord in der Rue Morgue «, fuhr Varen fort.
    »Dieser Typ hatte echt einen Knacks«, murmelte Isobel in ihr Blatt und schüttelte den Kopf, während sie weiterschrieb.
    »So sehen das die meisten Leute«, sagte er. »Dann kommt Der Rabe .«
    Isobel hörte auf zu schreiben. Sie hob den Stift vom Papier und sah ihn an. »Und wie siehst du das?«
    Seine Augen glitten von dem aufgeschlagenen Buch zu ihr - eine abgeschwächte Version seines stechenden Todesstrahlenblicks.
    »Das ist eine berechtigte Frage«, rechtfertigte sie sich. »Und sie hat absolut mit dem Projekt zu tun.« Sie schenkte ihm ein kleines, listiges Lächeln, doch er lächelte nicht zurück. Isobel wusste zwar, dass er nicht gerade ein dauerlächelnder Typ a la Ronald McDonald war, aber sie hoffte trotzdem, dass er irgendwann etwas lockerer werden würde. Ufff.
    »Vielleicht wusste er einfach etwas, was wir nicht wissen«, meinte Varen. Er öffnete den lila Ordner und sein Blick wanderte zu der darin eingehefteten Lektüreliste.
    »Was zum Beispiel?«, fragte sie und war ehrlich neugierig.
    Einen Augenblick lang sagte er gar nichts und Isobel nahm ihren Stift wieder auf, um sich wieder an die Arbeit zu machen - sie nahm an, er würde sie ignorieren. Ihre Hand war bereit und wartete auf den nächsten gruseligen Titel.
    Aber zu ihrer Überraschung sagte Varen stattdessen: »Ich weiß nicht.«
    Sie beobachtete ihn nachdenklich, während er auf das aufgeschlagene Buch vor sich schaute, so als hoffte er, hineinzufallen. Die Spitzen seiner federflaumartigen schwarzen Haare berührten fast die Wörter. Irgendetwas war seltsam an der Art, wie er das gerade gesagt hatte. So als ob er es eigentlich doch wusste oder zumindest eine Vermutung hatte.
    »Wie ist er denn gestorben?«, fragte sie.
    »Das weiß keiner so genau.« Er schien ihre Skepsis zu bemerken und atmete tief ein, bevor er weitersprach. »Man hat ihn halb bewusstlos in einer Gosse in Baltimore gefunden. Irgendjemand hat ihn dann in ein nahe gelegenes Gasthaus

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