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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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kein Lichtstrahl sie erreichen konnte. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, ihm zu beweisen, dass es die echte Isobel war, die da vor ihm stand, und nicht irgendeine Geister-Hochstaplerin. Wenn sie ihm doch nur etwas geben könnte, irgendein Beweisstück. Oder einfach nur irgendetwas, das sie beim ihm lassen konnte. Ein Symbol. Ein Versprechen. Solange es nur etwas war, was so echt und greifbar war wie sie.
    Mit ihren Fingern tastete Isobel über ihr Kleid. Ihre Hände hielten an dem Band inne, das um ihre Taille gebunden war. Sie folgte dem Band mit den Fingern bis zu der Schleife auf ihrem Rücken. Sie öffnete den Knoten und das Band glitt mit einem sanften Flüstern von ihrer Hüfte.
    »Hier«, sagte sie, schob ihre Hand durch das eckige Loch im Fenster und hielt ihm das Satinband hin. »Nimm das hier. Es gehört mir und ich werde zurückkommen, um es mir wiederzuholen, also verliere es nicht. Du musst es behalten. Du musst darauf aufpassen. Für mich. Verstehst du das?«
    Zunächst starrte Varen das Band nur an, doch dann hob er eine Hand und griff nach dem Stoff. Als er ihr das Satinband langsam aus der Hand zog und es um seine wickelte, berührten sich ihre Finger. Isobel wich zurück.
    Sie beobachtete, wie Varen es um seine Finger schlang und eine Faust darum ballte. Sobald er den Stoffstreifen umklammert hielt, schien sich etwas in ihm zu verändern. Er runzelte verwirrt die Stirn, so als würde er irgendetwas an dem pinken Band, das jetzt um seine Hand gewickelt war, nicht ganz verstehen.
    »Hör zu«, sagte Isobel. Um sie herum hallten weiterhin Brads Schreie wider, die immer lauter und zu einem Crescendo aus purem Entsetzen wurden. Mit Brads schmerzerfülltem Kreischen in den Ohren hatte Isobel Mühe, sich auf ihre eigenen Worte zu konzentrieren. »Versuch … versuch, die Türen zu öffnen. Reynolds … ein Freund von mir sagt, wenn … wenn du weißt, dass du träumst, dann hast du die Kontrolle über alles. Also versuch, die Tür aufzubekommen, okay? Versuch es. Wenn du es nicht schaffst, dann warte hier einfach auf mich.«
    Sie stand auf und begann sich langsam vom Fenster zu entfernen. Sie konnte den Gedanken, Varen hier allein zurückzulassen, kaum ertragen. Aber sie musste Brad helfen. Sie konnte ihn nicht einfach sterben lassen oder zulassen, dass man ihn weiter so folterte. Was auch immer gerade mit ihm passierte, sie musste dafür sorgen, dass es aufhörte.
    »Isobel?«, rief Varen flüsternd.
    »Halte durch«, sagte sie. »Halte durch und warte auf mich. Tu es für mich.« Sie wandte sich von ihm ab und ging in die Richtung, aus der die Schreie kamen, die sich jetzt mit lauten Schlägen abwechselten, so als ob jemand mit den Fäusten gegen eine verriegelte Tür hämmerte. Sie fing an zu rennen.
    »Isobel!«
    »Ich komme gleich zurück, ich verspreche es!« Diese letzten Worte hallten durch den Gang. Ich verspreche es, dachte sie und wiederholte ihr Versprechen wieder und wieder in Gedanken. Ich verspreche es.

 
     
    Die längliche Kiste
     
    Der Gang vor ihr wurde zunehmend kälter, schmaler und labyrinthartiger. Ihr Atem stieg weiß vor ihr auf und war sogar in dem schwindenden Licht deutlich zu erkennen.
    Sie lauschte auf Schreie, hörte stattdessen aber nur Geflüster. Es sickerte aus den Wänden.
    Isobel verlangsamte ihren Schritt und drückte sich dichter an das feuchte Gestein. Sie strich mit den Fingern darüber, während sie angestrengt lauschte. Die Stimmen schienen sich neben ihr herzubewegen, was auch immer auf der anderen Seite lag.
    Sie eilte weiter, versuchte dem Echo eines lang gezogenen, leisen Stöhnens zu folgen, das zwischen dem zischenden Gekicher und leisem Geschnattere herausquoll. Sie war sich sicher, dass das Stöhnen von Brad kam.
    Hinter der nächsten Kurve fand Isobel sich in einem großen runden Raum wieder. Dunkle Türen säumten die Wände - sie sahen wie die weit offen stehenden Rachen von Ungeheuern aus. Sie durfte keine Zeit verlieren, sie konnte nicht lange überlegen, also ging sie einfach durch eine Tür links von ihr, die wie der Eingang zu einem Tunnel aussah.
    Der serpentinenförmige Gang aus Stein, Mörtel und Feuchtigkeit schien sie immer weiter nach unten zu führen. So weit, dass das Geflüster und Gestöhne verebbte. An den Wänden und Mauervorsprüngen klebte eine weiße, kristallartige Substanz, Isobel zögerte. Sollte sie umkehren oder hatte sie den richtigen Weg gewählt? Gab es überhaupt einen richtigen Weg?
    Sie lief weiter. Ein

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