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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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nicht«, murmelte er, »nicht einmal, wenn du echt wärst.«
    »Varen. Sieh mich an. Ich bin echt. Ich bin hierhergekommen, um dich zu finden. Ich bin es - ich kann es beweisen.«
    Auf einmal waren die Schreie wieder zu hören. Sie wurden lauter. Ein Schwall brutaler Schläge begleitete sie. Isobels Herz schlug jetzt dreimal so schnell und sie blickte in die Richtung,
    aus der der Höllenlärm kam. Einen Augenblick lang glaubte sie, die Stimme zu erkennen, obwohl sie so wund klang, und eine entsetzliche Furcht machte sich in ihr breit.
    Brad.
    Aber das war unmöglich! Wie kam er denn hierher?
    Isobel sah zurück zum Fenster und schrak zusammen. Ihr Herz machte einen solchen Satz, dass es fast wehtat. Varen stand direkt hinter der Fensterscheibe, die sie voneinander trennte. Durch den offenen Spalt ruhte der Blick seiner schwarzen Augen auf ihr. Sein grün und blau geschlagenes Gesicht wirkte fahl, emotionslos und fast fremd in dem schwachen Licht.
    »Du bist nur ein Traum, genau wie alles andere.«
    Isobel runzelte die Stirn. Sie erinnerte sich daran, dass Reynolds ihr einmal gesagt hatte, dass Varen von ihr geträumt hatte. Der Gedanke ließ sie die Faust heben. Sie schlug noch mehr Glas aus der Scheibe heraus und es war ihr vollkommen egal, ob sie sich dabei schnitt. Die kleinen Scherben fielen auf den Teppich in dem violetten Zimmer, verstreuten sich um Varens Füße herum und dann steckte Isobel ihre Hand durch die vergrößerte Öffnung. »Fass mich an«, sagte sie. »Ich bin echt. Auch wenn das alles hier nur geträumt ist, ich bin es nicht.«
    Sie spürte, wie seine Finger über ihre Handfläche strichen und sich dabei so leicht anfühlten wie Staub. Sie hinterließen ein kribbelndes Gefühl, das ihre Haut fast vibrieren ließ. Mehrere Sekunden vergingen.
    Ein weiterer Schrei, diesmal lauter, aber noch immer gedämpft, ergoss sich wie eine kochend heiße Flüssigkeit über den Flur. Isobel zog ihre Hand zurück, suchte mit den Augen den Steinkorridor hinter sich ab und versuchte herauszufinden, woher der Schrei gekommen war. Ihr Blick kehrte zu Varen zurück und wanderte über den Riss über seiner Lippe. Sie hatte Angst, das auszusprechen, was sie ihm jetzt sagen musste.
    »Varen.« Sie sprach mit ruhiger Stimme. »Hörst du das? Ich muss gehen und Brad helfen.«
    Er hob den Kopf, sah ihr in die Augen, und obwohl seine so abgrundtief schwarz waren, war es unmöglich, den Hass zu übersehen, der in ihnen brannte. Isobel schluckte und wählte ihre Worte sorgfältig.
    »Sie … sie tun ihm weh«, versuchte sie zu erklären. »Er verdient ja vielleicht vieles, aber er hat es nicht verdient zu sterben. Ich weiß, dass du das verstehst. Ich werde zurückkommen und dich hier rausholen, okay?«
    »Warum?«, fauchte er sie an.
    »Weil«, sagte sie nach Luft ringend, ohne zu begreifen, was hinter seiner Frage oder hinter seinem Tonfall steckte. »Weil ich dich liebe, deshalb.«
    Er drehte den Kopf weg und blickte zurück in das Zimmer.
    »Hör zu.« Sie hielt sich am Fensterrahmen fest. »Wir kriegen das schon wieder hin, okay? Wir finden einen Weg.«
    »Es ist zu spät.« Es war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Sag das nicht! Es gibt einen Weg. Wenn wir beide zusammenhalten, du und ich, dann gibt es einen Weg. Okay? Wir haben doch auch unser Projekt zu Ende gebracht, oder? Obwohl alles schiefgelaufen ist. Obwohl uns alle Steine in den Weg gelegt haben. Varen?«
    Seine Augen sahen sie an und Isobel versuchte, ihr Spiegelbild darin zu finden, suchte nach irgendeiner Spur von Licht. Doch sie warfen eine so reine, so furchterregend bodenlose Schwärze zurück, dass sie ihre ganze Willenskraft aufbieten musste, um sich nicht abzuwenden.
    »Sag okay. Bitte?«, flehte sie.
    Er starrte sie an.
    Ein weiterer Schrei durchbrach die Stille. Das gellende Geräusch schoss Isobels Wirbelsäule hoch, drang wie eine Krallenhand in ihren Körper und umklammerte ihr Herz. Sie zuckte zusammen. »Varen, sie bringen ihn um! Ich muss gehen und versuchen, sie aufzuhalten! Aber erst musst du >okay< sagen. Bitte. Sag, dass du weißt, dass ich zurückkomme. Sag einfach >okay<. Tu es für mich.«
    Er blickte zu Boden.
    Sie schüttelte den Kopf. »Glaubst du mir denn nicht?« Ihre Augen brannten und sie drohte in Tränen auszubrechen. Sie konnte es kaum ertragen, ihn so zu sehen. Es war, als ob der Varen, den sie kannte, aufgezehrt worden wäre, ersetzt durch diese Hülle aus Verzweiflung, in die sich seine Seele so tief zurückgezogen hatte, dass

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