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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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    Und den Rand eines schwarzen Stiefels.
    Isobel verlagerte ihr Gewicht und veränderte ihre Position. Doch egal, aus welchem Winkel sie es auch versuchte, sie konnte nicht mehr als die Vorhänge, den violetten Teppich, das gelbe Licht und den schwarzen Stiefel erkennen.
    Sie überlegte, ob sie laut nach ihm rufen sollte. Doch was, wenn das alles nur ein weiterer Trick war? Eine weitere Illusion? Und wenn das in dem Stuhl nicht Varen war, dann musste es einer der Nocs sein … oder etwas noch Schlimmeres.
    Vorsichtig hob Isobel die Hand an das Loch. Sie bohrte einen Finger hindurch und wartete. Beim nächsten heftigen Flattern und Schlagen der Vorhänge zog sie an dem Glas. Ein faustgroßes, diamantförmiges Stück brach aus der schwarzen Gitterfassung heraus und hinterließ eine Lücke, die größer war, als Isobel eigentlich beabsichtigt hatte. Sie zuckte zusammen, rutschte ein Stück zurück und hoffte, dass niemand dort drinnen etwas mitbekommen hatte.
    Sogar aus der Entfernung konnte sie das Zimmer jetzt viel genauer erkennen. Mit staubbedeckten Bänden vollgestopfte Bücherregale säumten die Wände und erinnerten sie an Nobits Nook. Auf einem Tisch in der Nähe stand eine altmodische Öllampe. Ihr schummriger Schein war eine Quelle der sich überlagernden Schichten aus gelbem Licht. Die andere waren die sich verzehrenden Kohlenstücke, die in dem riesigen offenen Kamin, vor dem der violette Sessel stand, vor sich hin glimmten.
    Isobels Blick kehrte sofort zu dem Sessel zurück, zu der Hand die auf der samtbezogenen Armlehne ruhte. Ein vertrauter Silberring funkelte an einem Finger. Ihr Blick wanderte den grünen Jackenärmel hoch.
    Mit gesenktem Kopf saß Varen da und starrte auf den violetten Teppich. Seine schwarzen Haare hingen wie ein Vorhang über sein Gesicht. Völlig überrascht von seinem Anblick, ließ Isobel das Glasstück fallen. Klirrend traf es auf dem Steinboden auf.
    Varens Kopf schnellte in ihre Richtung.
    Isobel öffnete den Mund, konnte sich aber gerade noch zurückhalten, laut nach ihm zu rufen, als plötzlich der heisere Schrei eines Vogels die Stille durchschnitt.
    Varens Blick schoss wieder nach vorn und im selben Augenblick raste ein schnelles schwarzes Etwas durch den Raum und warf seinen gespenstischen Schatten auf die flatternden Vorhänge, den Boden, die Wände und die langen Reihen von Bücherregalen.
    Das dunkle Wesen, ein Vogel, wie Isobel jetzt erkennen konnte, schlug mit seinen großen Flügeln gegen die aufgewirbelte Luft an und landete auf der Rückenlehne von Varens Sessel. Der Vogel trippelte von einem Fuß auf den anderen und klappte seine Flügel ein. Zusammengekauert starrte er mit seinen perlenartigen kohlrabenschwarzen Augen in die Dunkelheit.
    Isobel bückte sich tief unter das Fenstersims. Sie verharrte ruhig» hielt den Atem an und wartete.
    »Was war das für ein Geräusch?«, krächzte eine heisere Stimme.
    »Nur meine Fantasie«, erwiderte Varen. Seine Stimme klang sanft und trocken, sein Tonfall wirkte dagegen bissig.
    »Mir kannst du nichts vormachen«, entgegnete der Vogel.
    Dazu schwieg Varen.
    Isobel kauerte sich ganz nah an die Wand und hielt sich mit beiden Händen den Mund zu. Sie schloss die Augen und lauschte angestrengt.
    Ein neues Geräusch, gedämpft und weit entfernt, attackierte ihr Gehör. Es kam aus einer ganz anderen Richtung. Irgend jemand rief - schrie. Es war der Klang nackter Furcht und er zerteilte ihre Gedanken wie ein Schwerthieb.
    »Ach«, sagte der Vogel mit einem kratzenden Husten, das auch ein Lachen gewesen sein konnte. »Unser Freund wieder. Das geht jetzt schon seit über einer Stunde so.«
    Ein weiterer schmerzerfüllter Schrei hallte durch den Gang. Ihm folgten Schläge, weit entfernt.
    »Hör auf damit. Lass ihn gehen. Schick ihn zurück«, murmelte Varen.
    »Ach, wirklich. Stört es dich so sehr, sein Geschrei mitanzuhören?« Die Stimme veränderte sich, während sie sprach, wurde tiefer und klang jetzt nicht mehr rau, sondern bissig. »Jetzt komm schon«, sagte sie, »ich dachte wirklich, dass du, nach allem, was passiert ist, wenigstens ein bisschen Freude daran hättest. Außerdem war es schließlich deine Idee.«
    »Du hast das getan, nicht ich.«
    »Ja, natürlich habe ich es getan. Aber erst, als du daran gedacht hast.«
    Isobel bewegte sich vorsichtig, den Rücken gegen die Wand gepresst, zur Seite und spähte wieder durch das Loch. Varen saß vornübergebeugt auf dem Sessel und hatte sein Gesicht in den

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