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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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nicht weiter wir sollten betreten
    sein Land so geheimnisvoll -
    So düsterer Geheimnisse voll…«
    Isobel drehte sich um und rannte zu der eisernen Tür. Der Noc hinter ihr lachte und sang den Text seines furchterregenden Liedes jetzt lauter.
    »Wohl erkenn ich die Seen nun von Auber,
    Die Nebelgefilde von Weir!«
    Isobel zog an der Tür. Sie quietschte und gab Stück für Stück nach, bis sie so weit offen stand, dass Isobel hindurchpasste. Beim Hinausschlüpfen blieb sie mit ihrem Kleid hängen und ein Stück Spitze riss von ihrem Rock ab.
    »Kennst die nasskalten Moore von Auber, die gespenstischen Wälder von Weir!«
    Isobel schob die Tür hinter sich zu und sperrte die Stimme mit einem letzten rostigen Eisenkreischen aus.
    Graue Asche überzog hier draußen den Boden eines schweigsamen Friedhofs. Weiße Flocken schwebten vom violetten Himmel, fielen durch die ausgetrocknete Luft und sammelten sich wie Schnee auf den zahllosen schiefen Grabsteinen, die dicht gedrängt in Gruppen beieinanderstanden und das Gelände entstellten wie Pockennarben. Sie beugten sich aufeinander zu und voneinander weg wie abgebrochene, schief stehende Zähne.
    Steinerne Engel und grimmig dreinblickende, mit Roben bekleidete Figuren weinten und trauerten an der Seite überirdischer Grabmäler, dazwischen dieselben dünnen schwarzen Bäume wie in den Wäldern von Weir. Flinter dem Friedhof trennte ein schroffes Kliff den Himmel von der Erde und erstreckte sich wie eine gezackte Spalte bis zum Horizont.
    Hinter Isobel türmte sich, eng an die Krypta gelehnt, das kathedralenartige Schloss aus Poes Geschichte auf, in dem der Maskenball tobte. Seine Turmspitzen zeigten in den Aschehimmel und wirkten so zackig und bösartig wie das Rückgrat eines schlummernden Drachen.
    Um sie herum herrschte Totenstille. Der Anblick, der sich ihr bot, wirkte wie eine gruselige, zum Leben erweckte Kohleradierung. So lange, bis ein lautes Klopfgeräusch die Grabesstille erschütterte.
    Isobel blieb nahe bei der Krypta, eine Hand gegen die kalte Marmorwand gedrückt, als sie sich langsam von der Buntglastür entfernte.
    Schon bald waren die Nocs zu sehen. Isobel zählte insgesamt sechs. Sie kamen aus der eisernen Flügeltür einer anderen Gruft. Auf den Schultern trugen sie einen langen Holzsarg. Isobel blieb fast das Herz stehen und Furcht breitete sich in ihrer Brust aus.
    Aus dem Sarg waren Rufe zu hören, gefolgt von noch mehr Geklopfe.
    Auf dem Sarg thronte, wie ein König, ein großer schwarzer Vögel. Zwischen seinen heiseren Krächzern hackte er auf den Deckel ein, so als wollte er auf das von innen kommende Klopfen antworten. Pinfeathers. Mit ihm waren es sieben.
    Ein weiterer angstvoller Hilfeschrei kam aus der länglichen Kiste und jetzt war Isobel sich sicher: Das in dem Sarg war Brad. Doch wie hatten sie ihn bloß hierhergebracht?
    Plötzlich fiel ihr wieder ein, wie sich Brads Augen auf Spielfeld plötzlich schwarz gefärbt hatten. Genau wie Varens Augen hatten sie von einem Augenblick auf den anderen ihr Farbe verloren. Doch als Brads Augen sich verändert hatten, war er bewusstlos auf dem Spielfeld liegen geblieben. Wie war er hierhergekommen?
    Isobel schlich von der Krypta weg und heftete sich den Nocs an die Fersen. Sie wagte sich durch das Dickicht aus Bäumen und duckte sich hinter Denkmäler und Grabsteine. Neben einem Engel mit großen Flügeln, der in seine steinernen Hände weinte blieb sie stehen und beobachtete die Nocs aus der Ferne.
    Wie bizarre Leichenträger transportierten sie den Sarg zu einer runden, nebligen Lichtung, die von schwarzen Bäumen umrahmt war. Dort wartete ein Erdhaufen, in dem mehrere Spaten steckten. Ihre Griffe standen wie die Nadeln in einem Nadelkissen senkrecht aus dem Hügel und warteten darauf, zum Einsatz zu kommen.
    Wie eine Art Markierung stand vor dem Erdhaufen eine hohe, verhüllte Statue. Eine lange Kapuzenrobe verbarg ihren gesamten Kopf und verhüllte ihre Arme, die über dem weit aufgesperrten Rachen eines schwarzen Grabes ausgebreitet waren.
    Isobel kniff die Augen zu und öffnete sie wieder. Doch sie wachte nicht auf. Das Bild, das sich ihr bot, war immer noch das gleiche. Die Schreie waren immer noch die gleichen. Es war alles genau gleich, abgesehen von den Nocs, die jetzt den Sarg von ihren Schultern hoben und absenkten.
    »Lasst mich hier raus!«, rief Brad.
    Die Nocs lachten und hievten den Sarg in das Loch. Pinfeathers kreischte und flatterte auf, als die Kiste mit einem dumpfen Krachen

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