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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Bankrott gemacht hatte, wofür er, ehe ich ihm vor Gericht begegnet war, im Fleet-Gefängnis gesessen hatte. Vor dem Bankrott war er Mitglied der Fleischergesellschaft, Schöffe am Schwurgericht von Cornhill und Teilhaber mehrerer erfolgloser Unternehmen gewesen. Gegenwärtig fungierte er als Verwalter der staatlichen Lotterie, welche Neale leitete, besaß daneben aber noch eine Ziegelei in Tilbury und betätigte sich als Rechnungsführer der Kommission für Glassteuern, welche die Abgaben auf Gläser und Flaschen, nicht aber die Fenstersteuer eintrieb. Er besaß immer noch eine Menge Geld, da er die Schulden nie beglichen hatte, weshalb es mich wunderte, dass er überhaupt außerhalb des Schuldgefängnisses herumlaufen, geschweige denn für Mister Neale arbeiten durfte.
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    Das alles berichtete ich Newton, als wir uns um die Essenszeit vor den York Buildings am Strand trafen, wo sein Freund, Mister Samuel Pepys von der Royal Society, wohnte.
    «Das habt Ihr gut gemacht», sagte Newton. «Ich selbst habe inzwischen entdeckt, dass er mir nachspioniert, denn ich bin mir ganz sicher, dass er mir heute Vormittag hierher gefolgt ist.»
    «Ein Spion?» Ich sah mich instinktiv um, konnte jedoch keine Spur von Mister Neales seltsamem Freund entdecken. «Seid Ihr sicher, Sir?»
    «Ganz sicher», erwiderte Newton. «Das erste Mal sah ich ihn, als ich aus meiner Kutsche stieg, um Mister Taylor ein paar Aussageprotokolle in den Temple zu bringen. Da sprach er gerade mit ein paar Huren, die dort verkehren. Vom Temple ging ich zum Griechischen Kaffeehaus und als ich dieses eben verließ, um hierher zu kommen und Euch zu treffen, habe ich ihn wieder gesehen. Was doch wohl kaum Zufall sein kann.»
    «Warum sollte Mister Neale Euch ausspionieren lassen wollen, Herr?»
    Newton schüttelte ungeduldig den Kopf. «Neale ist ein Nichts», sagte er. «Aber hinter Neale stehen ein paar mächtige Männer, die mich diskreditieren wollen könnten. Lord Godolphin und andere Torys, welche Whigs wie Lord Montagu hassen und damit auch deren Geschöpfe wie Euch und mich. Vielleicht würde das ja erklären, warum unserem Mister Defoe das Schuldgefängnis erspart bleibt.»
    Newton sah die York Buildings empor. Diese bestanden aus mehreren modernen Häusern, erbaut auf dem Grundstück, wo einst das mächtige Palais der Erzbischöfe von York gestanden hatte.
    «Es wäre gut, wenn Mister Defoe uns nicht hier hineingehen sähe», sagte er. «Mein Freund Pepys hat schon genügend Tory-Feinde.»
    Also gingen wir in die benachbarte Neue Börse und
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    schlenderten dort höchst willkürlich durch die Gänge und über die Galerien, bis Newton nach einigen Minuten überzeugt war, dass jedweder Verfolger unsere Spur verloren haben musste.
    In den York Buildings residierte unser Gastgeber überaus komfortabel. Er war ein höchst lebenslustiger Mann in den Sechzigern, der einst den Vorsitz der Royal Society innegehabt hatte und bis zu König Williams Thronbesteigung Sekretär der Admiralität gewesen war. Ich mochte ihn sofort, denn er hieß mich so herzlich willkommen, als verbände uns eine lange Bekanntschaft. Mister Pepys wohnte sehr hübsch, aber es war nur gut, dass ich aufgefordert worden war, der Tafel dieses Gentlemen die gebührende Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, denn unser Gastgeber aß und trank beinahe so wenig wie mein Herr. Er erklärte, sein Steinleiden zwinge ihn, beim Essen und vor allem beim Trinken kürzer zu treten, als ihm lieb sei.
    «Und wer führt Euch Euer Haus im Tower, Mister Ellis?», fragte Mister Pepys. «Ein hübsches Mädel, möchte ich wetten.»
    «Sir, ich kann mir keine Haushälterin leisten. Aber ich komme ganz gut zurecht. Es ist ein feines, kleines Haus, das ich dort habe. Dank Doktor Newton.»
    «Ja, ich kenne es. Tatsächlich gibt es im Tower kaum etwas, das ich nicht kenne.»
    Und Mister Pepys erzählte uns eine höchst kuriose Geschichte, die mit dem Tower zu tun hatte.
    «Im Dezember 1662 brachte ich mehrere Tage damit zu, im Tower nach vergrabenen Schätzen zu suchen, denn es ging das Gerücht, Sir John Barkstead habe in seiner Amtszeit als Oliver Cromwells Tower-Lieutenant siebentausend Pfund in ein Butterfässchen gefüllt und irgendwo im Tower vergraben. Doch alles Suchen erbrachte nichts.
    Dann, nicht lange nach meinem Ausscheiden aus der Admiralität im Jahr 1689, traten meine Feinde wieder auf den Plan, in der Absicht, mich ein für alle Mal aus dem Rennen um
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    irgendwelche Regierungsämter

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