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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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zu werfen. Ich saß sechs lange Wochen im Tower gefangen. Ich war nicht eingesperrt, was mir Gelegenheit gab, das Tower-Archiv zu studieren. Es befindet sich in der St.-John-Kapelle im White Tower. Dort machte ich bald die interessante Entdeckung, dass Barkstead, der 1662 am Strang endete, eine Menge Zeit damit verbracht hatte, im Tower-Archiv zu forschen und insbesondere jene Dokumente zu studieren, die mit den Templern zu tun hatten.
    Die Templer waren ein Orden von Mönchsrittern, welche von Philippe dem Vierten von Frankreich häretischer Praktiken bezichtigt wurden, aber man war allgemein der Ansicht, dass König Philippe dem Orden nur dessen enormen Reichtum und Einfluss neidete und die Beschuldigungen nur ein Vorwand waren, die Templer auszuplündern. Viele wurden als Ketzer verbrannt, aber ein großer Teil entkam. Es heißt, dass 1307 eine Flotte von achtzehn Galeeren, mit dem Templerschatz an Bord, von La Rochelle aus in See stach. Von diesen Schiffen hat man nie wieder etwas gehört. Man munkelte, der Schatz sei nach Schottland gelangt.
    Es wurden große Anstrengungen unternommen, die Templer, die nach England kamen, zu verhaften», fuhr Mister Pepys fort,
    «und viele von ihnen kamen in Tower-Haft. Es heißt, dass die Templer aus Furcht, das geheime Wissen um ihren Schatz könnte für immer verloren gehen, einen genauen Lageplan anfertigten. Dieser Plan wurde nie gefunden, obwohl angeblich irgendwo der Bericht eines Juden existierte, welcher diese Karte gesehen und den Schatz und seine Lage genau beschrieben hatte.
    Nun war aber Barkstead, ehe er in die Dienste des Commonwealth trat, Goldschmied gewesen, in einer Werkstatt am Strand, welche er von Juden gekauft hatte. Inzwischen glaube ich, dass er in jener Zeit von der Existenz besagten Berichts über den Templerschatz erfuhr und daraufhin alles tat, was in seiner Macht stand, um Lord Lieutenant des Tower zu
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    werden, mit dem einzigen Ziel, diesen Schatz an sich zu bringen.
    Es war ein Geheimnis, in das er niemanden einweihte, nicht einmal seine Geliebte, welche allerdings, ob seiner eifrigen Studien im Tower-Archiv, Verdacht schöpfte, sodass er ihr schließlich erklärte, im Keller des Bell Tower sei eine große Summe Geldes vergraben. Aber in Barksteads Notizen, die noch immer im Tower-Archiv zu finden sind, ist vom Bell Tower nirgends die Rede. Nur vom White Tower, wo viele Templer gefangen saßen. Und auf diesen Ort konzentrierte Barkstead seine Bemühungen.»
    «Meint Ihr den Nordostturm?», bemerkte mein Herr stirnrunzelnd. «Den hatte doch bis vor gar nicht langer Zeit der Königliche Astronom, Mister Flarnsteed, unter der Schirmherrschaft von Sir Jonas Moore, dem Generalinspekteur der Ordnance, als provisorisches Observatorium okkupiert.»
    «Ich bin der Überzeugung», sagte Mister Pepys und kostete seine Worte so genüsslich aus, wie ich es mit seinem exzellenten französischen Wein getan hatte, «dass Flamsteed und Moore nach etwas anderem als nur nach den Sternen Ausschau gehalten haben.»
    «Aber worauf gründete sich ihre Suche?», fragte ich. «Hatten sie den Lageplan gefunden? Oder den Bericht darüber?»
    «Sir Jonas Moore war ein guter Freund des Tower-Archivars», erklärte Mister Pepys. «Moore war seit 1669 Generalinspekteur der Ordnance. Niemand kannte den Tower besser als er. Ich war mit Moore bis zu seinem Tod im Jahr 1697 gut bekannt. Aber ich kam nie hinter das Geheimnis seines späten Reichtums. Es hieß, das Geld stamme aus offiziellen und inoffiziellen Entgelten für seine Dienste in Tanger. Aber ich habe das nie geglaubt, dafür waren die Summen einfach zu groß.
    Meine Überzeugung ist die folgende: Als Moore 1669
    Generalinspekteur der Ordnance wurde, vertraute ihm William
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    Prynne, der Tower-Archivar, kurz vor seinem Tod im selben Jahr noch irgendetwas an, was mit dem Geheimnis des Templer-Schatzes zu tun hatte. Und meine Überzeugung ist ferner, dass Moore kurz darauf durch Zufall auf einen kleinen Teil des Schatzes stieß und dann die letzten zehn Jahre seines Lebens versuchte, mit Flamsteeds Hilfe auch noch den Rest zu finden.»
    «Aber, Sir, das verstehe ich nicht», sagte ich. «Ich dachte, Ihr hättet gesagt, der Templerschatz sei nach Schottland gebracht worden.»
    «Dass er nach Schottland gelangt sei, war nur ein Gerücht.
    Wahrscheinlicher ist, dass sich ein Teil des Schatzes zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts hier in London befand. Dass nach der Schlacht von Tewkesbury im Jahr 1471 Marguerite

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