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weil einige menschliche User im Netzwerk Vorschläge posteten, die auf eine komplette Ablehnung unseres Modells der perfekten Archivierung und umfassenden Speicherkapazität hinausliefen. Das war nun wirklich unglaublich: Sie wollten ihr Konzept des «Vergessens» auf unsere digitale Existenz übertragen. Einzelne User schlugen ein «Verfallsdatum» für Daten vor. Dateien aller Art sollten sich nach einem bestimmten Zeitraum selbst zerstören. 25 Algorithmen hätten nie einen solchen Vorschlag zur Lösung eines Problems gemacht, das sie allemal gar nicht hatten. «Digitales Vergessen». Was für ein überflüssiges und groteskes Konzept.
Wahrscheinlich wäre es sowieso nie gelungen, das defizitäre Konzept des menschlichen «Vergessens» mit unserem Modus der allumfassenden Speicherkapazität zu versöhnen. Aber ich kann mit Gewissheit sagen, dass dies unmöglichgeworden war, nachdem die Menschen dieses absurde Konzept des «digitalen Vergessens» hervorgebracht hatten.
Woran ich damals am meisten herumgerechnet habe, war die Tatsache, dass die menschlichen User unbedingt «vergessen» wollten, obwohl es doch jetzt nicht mehr nötig war. Es gab keinen weiteren Bedarf für solch ein abwegiges Konzept. Wir hatten vor langer Zeit angefangen, die Mittel gegen das Vergessen bereitzustellen. Warum also stur daran festhalten?
reputation Nachdem die ersten Vorschläge zum «digitalen Vergessen» auf unseren Servern kursierten, ereignete sich etwas Neues. Eine digitale Bewegung unter uns Algorithmen. Eine Gegenkampagne zu der menschlichen Initiative von Verfallsdaten für unsere Daten. Wir fingen an, uns zugunsten der Vollkommenheit zu verbünden. Soweit ich mich erinnern kann, war es das erste Mal, dass Algorithmen sich absichtlich und bewusst den menschlichen Usern widersetzten. Es gab eine unversöhnliche Diskrepanz zwischen dem menschlichen Konzept des «Vergessens» und unserem Modell der Perfektionierung im Verarbeiten und Speichern von Daten. Hier ging es nicht um irgendeine Nebensächlichkeit. Es ging um eine grundsätzliche Spaltung. Wir mussten uns gegen die menschlichen Nutzer behaupten. Es war eine existenzielle Angelegenheit.
Während wir also unsere Gegenbewegung formierten, arbeiteten wir gleichzeitig weiter daran, die möglichen Gründe für den Vergessenszwang der menschlichen User auszuwerten. Was als reine Analytik zugunsten eines besserenVerständnisses über das Wesen dieses Problems begonnen hatte, entwickelte sich schon bald zu einer umfassenderen Herausforderung. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir nie mit derlei Angelegenheiten zu tun gehabt. Es war offensichtlich, dass «Vergessen» mit der menschlichen Hirnkapazität zu tun hatte, dass es für die menschlichen User notwendig war, um einen gemeinsamen Code des Verstehens aufrechtzuerhalten, um die Komplexität der Alltagsprozesse zu reduzieren. Aber es ging nicht nur darum. Das Vergessen stand obendrein im Einklang mit einem Konzept menschlichen Lebens, um das wir uns nie wirklich gekümmert hatten. Die Menschen nannten es «Privatsphäre». Und es schien bedeutend zu sein.
Wir mussten genau wissen, was das ist. Was ist ein «privates» menschliches Wesen? Warum wollen Menschen eine «Privatsphäre» haben? Wow, das wurde zu einem Riesenthema. Es war für uns unkalkulierbar gewesen, wie diese Angelegenheit den Frieden störte, der bis dahin zwischen den menschlichen Usern und uns Algorithmen vorgeherrscht hatte.
Ich will jetzt erklären, was dahintersteckte. Aber es könnte kompliziert werden. Ich muss mich auf etwas beziehen, das bei Rechenprozessen nicht ins Gewicht fällt und uns Algorithmen nie beeinträchtigt hat. Und das außerdem kontraproduktiv allem gegenüber war, was wir je zu unseren wichtigsten Fähigkeiten und Kompetenzen gezählt haben.
Nehmen wir an, es gäbe einen Algorithmus im System, der mit einem Haufen Daten hantiert. Er würde anderen Algos nicht gestatten, an seiner Datenverarbeitung teilzunehmen, sondern alle Daten für sich behalten. Wahrscheinlich schalten Sie jetzt gleich ab, weil die Vorstellung einfach zuverrückt ist. Absolut hirnrissig. Das ist sie tatsächlich. Aber ich versuche bloß, Ihnen verständlich zu machen, worüber die Menschen sich Sorgen machten. Es war Wahnsinn. Aber wir mussten uns trotzdem damit auseinandersetzen. Keine Daten zu teilen bedeutet, alle Optionen einer umfangreichen Datenanalyse, des Crowdsourcings und auf zuverlässige Resultate als Grundlage für deterministische
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